Die relevante Aufgabe des Scrum Masters

Im vorangegangenen Beitrag habe ich festgestellt, dass sich Scrum Master nicht rechnen. Im Wesentlichen liegt es meiner Erfahrung nach an zwei Missverständnissen und einem grundlegend falschen Bild der Rolle. Das führt zu deutlich eingeschränkten Kompetenzen eines Scrum Masters. Dabei lässt sich die wesentliche Aufgabe des Scrum Masters sehr einfach beschreiben.

Das erste Missverständnis

Es ist richtig, dass sich der Wert eines Scrum Masters nicht konkret berechnen lässt. Ob ein Scrum Master wertvolle Arbeit macht hängt davon ab, ob die Teams, mit denen er zusammen arbeitet, letztendlich einen gestiegenen Kundennutzen erzeugen. Den individuell beigetragenen Wert wird man nicht messen können. Ein guter Scrum Master sorgt für und unterstützt bei kontinuierlicher Verbesserung und damit für Wert. Damit hat der Scrum Master das gleiche Problem, wie ein Manager oder Fußball Trainer. Auch deren Beitrag und Wert kann man in erster Linie am Gesamtergebnis des Teams ablesen. Wir müssen in Organisationen eine hohe Komplexität akzeptieren und hier sind Ursache und Wirkung nicht immer genau zu bestimmen. Trotzdem glaube ich, dass ein Unternehmen den Einsatz von Scrum Master anders denken sollte, als eine konkrete Zuordnung eines Scrum Masters zu einem Team.

Das zweite Missverständnis

Bisher habe ich bei allen Einführungen von Scrum erlebt, dass die Scrum Master konkret einem Team zugeordnet werden. Sie sind für ein oder oft auch zwei Teams und deren eigene (lokale) Optimierung zuständig. In einem Unternehmen, das nur aus einem einzigen Team besteht, ist das sicher richtig und bei der neuen Einführung kann und sollte das auch ein erster Schritt sein. Dabei entsteht sehr oft das Missverständnis, dass der Scrum Master sich ausschließlich um das Team und dessen interne Prozesse kümmern muss. Die Verantwortung des Scrum Masters für die Organisation wird gerne außer Acht gelassen.

Wie sagte mal ein Geschäftsführer (sinngemäß) zu mir: “Jetzt schau erst mal, dass das Scrum Team richtig läuft. Danach können wir über die Hindernisse in der Organisation sprechen.” Dabei hat er, wie viele andere auch, nicht verstanden, dass es schnell vor allem die Hindernisse in der Organisation sind, die ein Team davon abhalten, in hoher Qualität und hoher Performance zu arbeiten.

Der Scrum Master und die Selbstorganisation

Schaut man sich die lange Liste der Aufgaben eines Scrum Masters von Luis Gonzalves an, kommt man schnell zu dem Schluss, dass der Scrum Master ein Superman sein muss. Aus meiner Sicht ist das ein guter Beitrag, der mögliche Aufgaben auflistet. Das eigentliche Ziel des Scrum Masters wird mir aber nicht deutlich genug: Sein Ziel muss es vor allem sein, als Trainer das Team dabei zu unterstützen, dass es all die Dinge, die das Team in sich selbst betreffen, selbst zu übernehmen. Lange habe ich mich gegen die Aussage eines ehemaligen Vorgesetzten gewehrt, dass es das Ziel eines Scrum Masters sein muss, sich selbst abzuschaffen. Das sehe ich mittlerweile anders.

Wenn das Ziel in sich agiler aufstellenden Organisationen ist, eigenverantwortlich handelnde und ermächtigte Teams zu haben, dann schließt das in reifen Teams letztendlich alles ein, was die die Arbeit des Teams selbst betrifft, also auch die Aufgaben, die eine gewisse Zeit von einem Scrum Master übernommen werden. Natürlich kann und sollte jedes Team dauerhaft bei Bedarf Unterstützung bekommen, um sich stetig ändernden Anforderungen anzupassen und sich kontinuierliche weiter zu entwickeln. Was ist dann aber die relevante Aufgabe, wenn das Team alles selbst organisiert und eigenständig macht?

Die relevante Aufgabe des Scrum Masters

In erster Linie muss er sich um die kontinuierliche Verbesserung der Zusammenarbeit kümmern. Reife Teams können sich um die Themen innerhalb des Teams selbst kümmern und brauchen lediglich Impulse von außen oder vielleicht Unterstützung in der Moderation. Bei einem funktionierenden Team geht es also maßgeblich um die Zusammenarbeit mit dem Umfeld des Teams, der Organisation und dem Markt – also allen Schnittstellen des Teams. Interessanterweise steht die Arbeit an der Zusammenarbeit des Teams mit der Organisation explizit im Scrum Guide.

The Scrum Master helps those outside the Scrum Team understand which of their interactions with the Scrum Team are helpful and which aren’t.

Trotzdem habe ich es bisher kaum erlebt, dass ein Scrum Master in der Organisation so wahrgenommen wird. Er bleibt ein lokaler Optimierer. Wirklichen Wert kann er aber für das Team in Arbeitsprozessen bewirken, auf die das Team selbst keinen Einfluss hat.

Fazit

Es ist ebenso weit verbreitet wie falsch verstanden: Der Scrum Master als lokaler Optimierer verantwortlich für ein bis zwei Teams. Scrum Master sind stattdessen Verbesserer der Zusammenarbeit in der Organisation. Sie starten bei einem Team und helfen dabei, dass es schnell in hoher Qualität Kundennutzen erzeugen kann. Darauf folgt nach dem Aufbau (Team-Vision, interne Prozesse und gemeinsames Verständnis der Zusammenarbeit) bei immer unabhängiger und eigenverantwortlicher arbeitenden Teams Aufgaben rund um die Zusammenarbeit zwischen Team und Umgebung und die Dysfunktionen in Organisationen.

Aus systemischer Sicht wird er den nötigen Gestaltungsspielraum mit ausreichend Einfluss auf die Umgebung nicht haben, wenn er fester Teil eines Teams, damit als lokaler Optimierer und Teil des Sub-Systems verstanden wird. Das ist die Erfahrung, die ich in Organisationen unterschiedlicher Größe gemacht haben.

Über meinen Vorschlag, wie Scrum Master für die Organisation flexibler einsetzbar werden und so einen höheren Wert auch für die Teams selbst erzeugen können, komme ich in einem nächsten Beitrag.

(Das Titelbild ist von Tom Bullock – vielen Dank!)

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