Prolog: Wenn ich den Begriff “Ressourcen” in Zusammenhang mit Mitarbeitern höre, rollen sich mir die Fußnägel hoch und das sieht nicht nur komisch aus, das riecht auch seltsam. Übersetzt bedeutet das Wort Ressource schlicht “Mittel” und unter “Mittel” versteht man Methoden, Werkzeuge oder Geld. Worte machen Leute und – auch wenn sie oft unüberlegt verwendet werden – sind die häufig Ausdruck für Haltungen. Menschen sind grundsätzlich keine Maschinen, keine replizierbaren Werkzeuge, sondern komplexe Individuen. Es ist mir wichtig, das einleitend als Grundhaltung zu beschreiben.
Menschen sind komplexe Wesen, grundsätzlich motiviert. Sie sind keine einfachen oder komplizierten Maschinen. Die Zusammenarbeit von Menschen ist immer ein komplexes Gebilde und birgt Überraschungen, die man nicht mit Vereinfachung beherrschen oder – besser noch – einfach negieren kann. Es müssen Wege gefunden werden, um mit der Komplexität umzugehen. Wissens- und Kreativarbeiter müssen als die Individuen behandelt werden, die sie sind.
So einfach wie das klingt, so sträflich wird das häufig vernachlässigt – vor allem in Budgetierungen und langfristigen Planungen. Menschen verkommen zu einfachen Zahlen in Budgetplänen, die beliebig prozentual verteilt und verschoben werden.
In Organisationen gibt es aber neben der Sicht der Budgetverantwortlichen, die für Projekt-, Produkt- oder Linienmanagement Geld verteilen müssen, auch die Sicht auf das System und die Organisation der Arbeit. Warum ist das wichtig? Weil sich zwar in Budgetplanungen beliebig prozentual Gelder und Arbeitszeiten verteilen lassen, sich das aber nicht auf die tatsächliche Organisation der Arbeit im komplexen Umfeld übertragen lässt.
Warum das so ist? Zum einen sind die zu erledigenden Aufgaben zum Zeitpunkt der Budgetfestsetzung nicht genau planbar und damit ist der konkrete Experten-Bedarf nicht vorab definierbar. Diese Planung selbst ist zum scheitern verurteilt. Budgets (= Geld = Mittel = Ressourcen) lassen sich auf diese Weise managen, weil das weniger Veränderung und Überraschungen unterliegt.
Außerdem werden in Diskussionen Prozentteile gerne unsauber mehrfach vergeben. Beispiel? Häufig wird bei einer 80/20 Aufteilung eines Mitarbeiters auf zwei Vorhaben nicht berücksichtigt, dass mit diesen 20% Urlaube und Krankheiten eingeplant werden, dass also statistisch ohnehin nur etwa 80% geplant werden können. Die 20% sollen also sowohl eine statistische Ausfallzeit, als auch Arbeitszeit für zusätzliche Aufgaben abdecken. Der zusätzliche Aufwand für den Wechsel zwischen diesen Vorhaben hat meist keiner auf dem Schirm, geschweige denn die Mehr-Meetings, an denen der Mitarbeiter dann in der Regel teilnehmen muss.
Wie kann eine hohe Auslastung jedes Mitarbeiters sichergestellt werden?
Was lässt sich machen, wenn nicht genug Budget da ist, um Experten in nur einem Vorhaben voll auszulasten? Schon die Fragestellungen sind falsch. Es kann in kreativen Berufen im komplexen Umfeld nicht darum gehen, eine “Ressource Mensch” zu managen und “voll auszulasten” indem 100% ihrer Zeit gewinnbringend eingesetzt wird.
Beim Arzt – ein Beispiel
Das folgende Beispiel ist von Gunter Dueck und beschreibt sehr schön die einfache Problematik die entsteht, wenn versucht wird, Zeit zu 100% zu verplanen.
Stell dir vor, du bist beim Zahnarzt und vor dir sitzen sieben
Das Ziel ist also nicht die volle Arbeitsauslastung jedes Mitarbeiters, sondern eine hohe Leistung durch motivierte Individuen, die zu gewinnbringenden Ergebnisse führt. Statt der Arbeitszeit der Menschen sollte der Umfang des Vorhabens, die Priorisierung der Aufgaben und das System, in dem die Menschen arbeiten organisiert werden. Ein guter Umgang mit Überraschungen durch hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität ist entscheidender, als die Sicherstellung einer Voll-Auslastung.
Oder hast du schon mal erlebt, dass auch nur ein Mitarbeiter in einem Unternehmen nicht mehr als voll ausgelastet wäre? In der Regel ist doch zu wenig Budget verfügbar für das, was umgesetzt werden soll.
Was kann man tun?
Wie aber kann ein Unternehmen vorgehen, wenn das Budget nicht ausreicht für die Menge der Mitarbeiter, die es gerne hätte? Wenn ein Unternehmen 3 Teams hat und jedes Team braucht Unterstützung des selben Experten zu diesem Thema, hilft dem Budgetverantwortlichen möglicherweise die Kalkulation, dass 1/3 der Zeit pro Vorhaben geplant wird. Das bedeutet nicht, dass der Mitarbeiter auch wirklich 1/3 pro Vorhaben einsetzen kann und wird.
Das System sollte dem Mitarbeiter die Möglichkeit geben, jedes der Teams zu unterstützen. Dennoch braucht die Personen einen klaren Fokus und kann nur einem Team eindeutig zugeordnet werden – am besten dem Team, in dem das Vorhaben mit der höchsten Priorität umgesetzt wird. Damit verbringt die Person notwendige Zeit mit den Kollegen, unterstützt dort in allen Belangen. Bei seinen Zusagen in seinem Team muss die Person einplanen, dass sie einen Teil ihrer Zeit für andere Vorhaben zur Verfügung stehen muss.
Läuft alles nach Plan, dann bekommen alle Teams den Teil, den der Mitarbeiter abgestimmt mit dem Hauptvorhaben einplanen konnte. Wenn nicht – und das ist dank Überraschungen im komplexen Umfeld der Regelfall – dann hat der Mitarbeiter eine klare Zuordnung zu Team, Vorhaben und kennt die Prioritäten. So kann die Person ohne große zusätzliche Aufwände entscheiden, bei was er sich einsetzt und bei welchem Thema er ein Scheitern in Kauf nehmen kann und muss.
Findet diese eindeutige Zuordnung von Mitarbeitern zu Teams und deren Vorhaben nicht statt (unabhängig davon, ob der Mitarbeiter auch einen Teil seiner Zeit in anderen Vorhaben investiert), führt das zu einer Überlastung des Mitarbeiters, der versucht alle Teams zufrieden zu stellen, oder die Verantwortlichen für die Vorhaben müssen sich in Eskalations-Runden über den punktuellen Einsatz eines Mitarbeiters austauschen. Beides führt weder zu einer nachhaltigen und motivierenden Arbeitsumgebung, noch zu einem effizienten Vorgehen und erzeugt zusätzliche Aufwände, die von der produktiven Zeit abgehen.
Fazit
Menschen und ihre Arbeitszeit lassen sich bei Wissensarbeiten nicht über prozentuale Zuteilung managen. Das Budget muss sich nicht in erster Linie orientieren an den erwarteten Kosten (durch prozentual budgetierte Mitarbeiter), sondern an dem Kundennutzen und damit dem Wert, der generiert werden soll. Die erste Frage lautet also nicht, wie viel kostet die Umsetzung eines Vorhabens, sondern was braucht der Kunde, was kann voraussichtlich damit verdient werden und wie viel soll davon abgeleitet investiert werden. Das Budget gibt den Rahmen für ein Vorhaben vor.
Risiko kann begegnet werden durch eine deutliche Reduktion der Vorhaben und durch eine Reduzierung des Vorhabens auf die kleinste Wert generierende Auslieferung, frühes Ausliefern dieses Werts und Anpassung des Vorhabens an neue Erkenntnisse. Außerdem hilft eine hohe Transparenz, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, die zu einem höchstmöglichen Wert führen.
Wenn es Aufgaben gibt innerhalb eines Teams oder übergreifend, die nur von einer Person (oder einem Team) erledigt werden können, dann hilft ausschließlich eine klar definierte Priorität der Vorhaben mit der radikalen Akzeptanz, dass das niedriger priorisierte Vorhaben Gefahr läuft, kein zufrieden stellendes Ergebnis zu haben.
Wie man zusätzlich in einem Multiprojekt-Umfeld mit Mitarbeitern und Scope umgehen sollte, dazu habe ich den Blog-Beitrag “Don’t put people to projects” geschrieben.
(Das verwendete Bild ist von Mat – Vielen Dank!)