Vor einigen Tagen bin ich (mal wieder) über einen LinkedIn Beitrag gestolpert, in dem Führungskräfte kritisiert wurden, die durch fehlende Wertschätzung und Anerkennung ihrer Mitarbeitenden gegenüber zu einem schlechten Betriebsklima beitragen würden und dass man sich das heutzutage nicht mehr leisten könne. Vermutlich ist es eine Frage des Blickwinkels, der sich durch meine Führungsaufgaben seit einigen Jahren vielleicht etwas verschoben hat. Aber mich irritiert diese Aussage und viele der darauf folgenden Kommentare vor allem, weil hier die Rede von zwei Führungskräften war, die ihre Unternehmen aufgrund fehlender Wertschätzung und Anerkennung verlassen haben.
In dem Beitrag wurde zum Abschluss die gute Frage gestellt, warum man selbst vielleicht schon mal gekündigt hat. Darüber habe ich nachgedacht. Bisher habe ich schon ein paar mal immer aus eigener Entscheidung Unternehmen verlassen und zu Neuen gewechselt. Ich habe also schon ein paar mal gekündigt. Meist waren spannende Herausforderungen in neuen Unternehmen der Grund. Einer dieser Wechsel ist mir dabei sehr im Gedächtnis geblieben, weil ich aus genau dem im LinkedIn Beitrag formulierten Grund gekündigt habe: Mir hat Anerkennung meiner Chefs gefehlt.
Aus heutiger Perspektive muss ich allerdings selbstkritisch sagen, dass ich Anerkennung von außen bekommen wollte, weil ich sie mir damals selbst nicht geben konnte. Ja, ich habe damals einen guten Job gemacht, habe einen wesentlichen Teil dazu beigetragen, dass in dem Unternehmen agile Methoden als Standard eingeführt, die Aufbauorganisation umgestellt und eigenverantwortlicheres Arbeiten ermöglicht wurden. Die Anerkennung von außen wollte ich, weil ich selbst nicht sehen konnte, dass ich einen guten Job gemacht hatte. Ich war unsicher und habe Bestätigung gesucht.
Wertschätzung und Anerkennung
Die beiden Begriffe Wertschätzung und Anerkennung fallen häufig im Kontext von (Un)zufriedenheit von Mitarbeitenden in Unternehmen. Immer wieder wird betont, wie wichtig Wertschätzung und Anerkennung von Führungskräften ihren Mitarbeitenden gegenüber ist. Die häufige Forderung irritiert mich langsam. Wenn ich gute Arbeit mache und wirksam bin, dann stellt mich das zufrieden. Brauche ich da zusätzlich Anerkennung von meinem Chef? Für wen leiste ich denn meine gute Arbeit, mache ich das für meinen Chef?
Zunächst zwei kurze Begriffseinordnung: Wertschätzung ist verbunden mit Wohlwollen und Respekt. Sie drückt sich in Freundlichkeit, Interesse, Aufmerksamkeit und Zugewandtheit aus. Anerkennung bedeutet, einer anderen Person das Gefühl zu geben, dass die erbrachte Leistung gesehen und in der Regel positiv bewertet wird.
Folgt man diesen kurzen Beschreibungen kann man sagen, dass Führungskräfte wertschätzend mit ihren Mitarbeitenden umgehen sollten. Und natürlich wäre auch ein hohes Maß an Anerkennung schön. Aber ist das realistisch, notwendig und gut und ist das eine spezielle Aufgabe von Führungskräften in Unternehmen?
Derzeit bin ich indirekt personalverantwortlich für rund 100, direkt verantwortlich für rund 15 Personen – einen Kreis aus Führungskräften in einem Modell geteilter Führung. Wenn es meine Aufgabe wäre, allen die Anerkennung, Wertschätzung und damit ein hohes Maß an Bestätigung entgegen zu bringen, die sie sich möglicherweise wünschen, dann hätte ich vermutlich den ganzen Tag nichts anderes zu tun. Und für was? Dafür, dass sie einen guten Job machen, den sie sich sehr wahrscheinlich ausgesucht haben und für den sie ihr Gehalt bekommen?
Vor vielen Jahren habe ich das Buch “Der Minutenmanager und die Klammeraffen” von Kenneth Blanchard, William Oncken Jr. und Hal Burrows. Hier ist mir ein kurzer Dialog sehr hängen geblieben, auf den ich bereits in vorherigen Beiträgen (beispielsweise in “Selbst ist das Team“) verwiesen habe und der in etwa so geht:
Mitarbeiter: „Sehr geehrter Herr Minutenmanager, ich habe hier ein Problem…“
Chef: „Das ist gut, denn zum Lösen von Problemen habe ich Sie eingestellt!“
Wie viel Anerkennung geben wir dem Busfahrer, wenn er uns zu unserer Zielhaltestelle bringt ohne einen Unfall zu bauen? Die Zeiten, in denen Piloten applaudiert wird, weil sie das Flugzeug sicher gelandet haben, sind auch längst vorbei (zum Glück, das habe ich früher schon nicht verstanden). Zollen wir der Zahnärztin große Anerkennung, weil sie den Weisheitszahn erfolgreich gezogen hat oder der Musikhändlerin, weil sie die schwer zu bekommende spezielle Erstpressung einer Vinyl aus dem Jahr 1994 besorgen kann?
Wertschätzung und Anerkennung zeigen?
Ein wertschätzender Umgang untereinander ist für mich in Teilen eine Selbstverständlichkeit wenn Menschen sich begegnen völlig unabhängig von Rollen oder Stellen. Wohlwollend, respektvoll und freundlich sollte selbstverständlich sein, eine zugewandte Haltung wäre das Sahnehäubchen. Dass dieser Umgang von Menschen untereinander immer wieder nicht gelebt wird, das weiß ich auch. Das hat aber nichts speziell mit dem Verhältnis zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden zu tun. Bei Interesse, Aufmerksamkeit und Zugewandtheit wird es abhängig von der Führungsspanne schon schwieriger.
Eine Aufgabe von Menschen in Organisationen ist es, in ihren Verantwortlichkeiten Probleme zu lösen und damit geht ein großer Teil der Aufmerksamkeit und des Interesses gezwungenermaßen in Richtung der Probleme und deren Lösung. Damit haben die Meisten alle Hände voll zu tun. Sie arbeiten indem sie Probleme Lösen um Kunden zufrieden zu stellen. Auch Führungskräfte.
Wie ist es mit der Anerkennung? Richtig, die wäre möglich, wenn zu lösende Probleme im Fokus sind und man als Führungskraft sieht, wenn Menschen diese Probleme lösen. Allerdings sind die Menschen genau dafür eingestellt. Ist also die Erwartung an Führungskräfte, dass sie für Selbstverständliches – wir erinnern uns an den Busfahrer – Anerkennung zeigen? Und erinnern wir uns an mein persönliches Beispiel: Vielleicht ist es gar nicht so abwegig, dass auch andere Menschen bei der Suche nach Anerkennung durch ihre Führungskräfte eigentlich nach einer Anerkennung suchen, die sie sich selbst geben sollten aber noch nicht geben können. Und ist das Erlernen dieser Fähigkeit bei jedem einzelnen Mitarbeitenden wirklich Aufgabe von Führungskräften? Oder ist es nicht vielmehr die Aufgabe der Menschen selbst, sich zu erarbeiten, dass sie sich diese Anerkennung selbst geben können? Vielleicht unterstützt durch Freunde oder Familie, einer Therapeutin oder durch einen Coach? Und bevor hier die Idee aufkommt: Nein, Führungskräfte können keine Coaches sein.
Wertschätzung und Anerkennung, für was?
Wertschätzung ist aus meiner Sicht eine Frage des Umgangs von Menschen untereinander und meine Erwartung an alle Mitarbeitenden. Ein hohes Maß an ausgesprochener Wertschätzung zwischen Menschen unabhängig von Rolle, Stelle oder Rang würde das Arbeitsklima in vielen Unternehmen verbessern. Vielleicht liegt ja hier eine Aufgabe für Führungskräfte, an dem Entstehen eines solchen Klimas zu arbeiten indem wenig wertschätzendes Verhalten nicht geduldet wird. Oder indem Rahmen für Wertschätzung geschaffen werden.
Was wir dazu beispielsweise in unserer Einheit mit 100 Menschen bereits vor einigen Jahren eingeführt haben, das ist eine für alle transparente digitale Kudo-Wall – eine Möglichkeit, über die alle Mitarbeitenden ihren Kolleginnen und Kollegen über Danksagungen Wertschätzung entgegen bringen können. Und dass offensichtlich die Meisten im Arbeitskontext nicht besonders geübt darin sind, Wertschätzung auszusprechen wird daran deutlich, dass es immer wieder einer Erinnerung bedarf, dieses Board mit Kudo-Karten zu füllen. Wertschätzung auszudrücken scheint also vielmehr ein generelleres Problem zu sein als eins, nur zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitenden.
Und wie ist das mit Anerkennung? Anerkennung zeigen Menschen in der Regel für Leistung, die höher ist als erwartet. Wir jubeln bei den ersten Schritten unserer Kinder die wir noch nicht erwartet haben, aber nicht mehr, wenn sie schon lange laufen können. Wir finden bei der Arbeit anerkennende Worte, wenn jemand Leistung bringt, die nicht erwartet wurde – Initiative, die gezeigt, ein größeres Problem, das überraschend gut oder schnell gelöst wurde, ein überdurchschnittlich zufriedener Kunde der sehr gute Arbeit beweist und so weiter.
Und jetzt springe ich wieder ein paar Zeilen weiter hoch: Ist es die alleinige Aufgabe von Führungskräften, wertschätzend mit ihren Mitarbeitenden umzugehen? Und ist es die Aufgabe von Führungskräften, immer wieder anzuerkennen, dass Menschen ihre Arbeit professionell leisten und damit einen guten Job machen – was unter anderem in Führungsrollen auch bedeutet, komplexe Probleme zu lösen indem beispielsweise Unentscheidbares entschieden wird, Konflikte organisiert und herausfordernde Situationen in gute Bahnen gelenkt werden?
Konkretes Beispiel Überlastsituation
In dem konkreten Beispiel bei LinkedIn ging es um einen Fall, in dem eine junge Führungskraft überlastet war und mehrfach um Unterstützung gebeten hat. Sie hatte gekündigt, nachdem sie diese Unterstützung nicht bekam. Solche Situationen in Überlast kenne ich von mir selbst und weiß, dass solche Situationen auch bei meinen Mitarbeitenden, die selbst Führungskräfte sind, immer wieder vorkommen. In einer Arbeitswelt, in der man ständig mit Mangelverwaltung beschäftigt ist, weil es in der Regel mehr Wünsche und Ideen als finanzielle Mittel und Arbeitskraft gibt, ist dieses Problem kein Ungewöhnliches. Wenn ich jetzt nochmal auf den Minutenmanager weiter oben verweise, wäre auch hier die Antwort des Chefs ziemlich passend.
Mitarbeiter: „Sehr geehrter Herr Minutenmanager, ich habe hier ein Problem mit meiner Überlast.“
Chef: „Das ist gut, denn zum Lösen von Problemen habe ich Sie eingestellt!“
Oder anders gesagt: Mit Überlastsituationen umgehen zu können ist eine Kompetenz, die Personen mit Führungsverantwortung brauchen. Das bedeutet für mich nicht, dass sie das zwingend dauerhaft aushalten müssen – das wäre eine nicht sehr kreative und vermutlich ungesunde Lösung. Kündigen ist eine andere nicht sehr kreative Lösung und wird wenig verbessern, da dieses Überlastszenario in den meisten Unternehmen früher oder später vorkommen wird.
Es gibt andere kreativere Möglichkeiten, wie zum Beispiel Repriorisierung, Unterstützungsnetzwerke aufbauen, delegieren oder tatsächlich auch begründet Nein sagen zu der einen oder anderen Person (die auch die eigene Chefin sein kann). Und jede Entscheidung inkludiert die Übernahme von Verantwortung für mögliche Folgen daraus – denn auch das gehört dazu. Die Lösung, Unterstützung von der eigenen Führungskraft anzufordern, kann natürlich auch eine Idee sein. Aus meiner Sicht ist sie eine denkbar schlechte – denn dann wird das eigene Problem zum Problem der nächsten Führungsebene und wenn eins sicher ist, dann dass dort die Überlastsituation in der Regel keinen Deut besser ist. Anstatt selbst Verantwortung zu übernehmen, was eine Kernaufgabe gerade von Führungskräften ist, wird sie zu Chefin oder Chef verschoben, die – wenn sie eine einfache Lösung wie mehr Mittel für mehr Arbeitskraft hätte – sie wahrscheinlich längst umgesetzt hätte.
Hier zitiere ich gerne einen ehemaligen von mir sehr geschätzten Chef. Er sagte mal zu mir etwas in dieser Art: “Daniel, du musst verstehen: Je höher die Führungsebene, um so mehr befinden sich die Menschen in einem Modus, in dem es im Wesentlichen nur noch darum geht, Baustellen zu schließen. Sie werden also so lange wie möglich alles tun, um zusätzliche Baustellen auf ihrem Tisch zu vermeiden.”
Ja, sich Unterstützung nicht nur in Rat sondern auch in Tat bei einer Führungskraft zu holen, kann ein valider Weg sein. Vielleicht ist es auch der einzig mögliche – aber genau das sollte vorher genau geprüft werden. Denn die Aufgabe von Führungskräften im Zusammenhang von Wertschätzung und Anerkennung, vor allem im Kontext einer hohen Eigenverantwortung und Selbstorganisation bei der Arbeit durch eigenständige, sich selbst steuernde Teams, ist das Schaffen eines Rahmens, in dem ein wertschätzendes und Leistung anerkennendes Umfeld durch alle Mitarbeitenden gestaltet und ausreichend ausgebildet werden kann.
Wertschätzung, ein Risiko?
Bei all dem will ich auch auf ein Risiko hinweisen, das ich in sehr zugewandten, wertschätzenden Teams erlebt habe: Der Hang zu wohliger Kuschelatmosphäre, in der kritische Äußerungen generell und erst Recht klar formulierte Kritik nicht mehr geäußert werden. Ich erlebe an mir selbst, wie schwer es mir fällt, kritische Punkte ohne viele Disclaimer und Bemühungen der Einordnung in Sachebenen anzubringen, trotz meiner klar definierten Führungsrolle. In Auseinandersetzungen um Themen wird generell selten konstruktiv gestritten, in sehr wertschätzenden Teams oft noch viel weniger.
Die Gefahr: Was bei engagierten (und häufig leistungsorientierten) Kolleg:innen in ihren fachlichen Themen immer wieder gelingt, funktioniert im Bereich der Menschen und ihrer Zusammenarbeit immer weniger. Wenn es in der Zusammenarbeit um kritisch betrachtetes Verhalten geht, wird eher ausgehalten bevor es oder bis es völlig eskaliert. Bestrebungen von Arbeitsteams, eine sie in der direkten Situation zufrieden stellende harmonische Wohlfühlatmosphäre zu entwickeln, unterstützen das. Maßnahmen, sich besser kennenzulernen als Beitrag für gute Zusammenarbeit, lassen die Grenzen zwischen der Arbeitsebene und der privaten Ebene verschwimmen und machen Kritik und Betrachtung von normalen Leistungsunterschieden immer schwerer. Das Team pendelt sich im Mittelmaß ein und bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Der so im guten Fall erreichte enge Zusammenhalt hat Vorteile einer hohen psychologischen Sicherheit und birgt gleichzeitig das große Risiko, dass die Möglichkeiten sich abzugrenzen, um sich selbst zu schützen indem eigene Erwartungen und Wünsche im Miteinander formuliert oder durchgesetzt werden, fehlen. Wir halten alle zusammen. Und dabei halten wir alle zusammen immer mehr aus, fangen mehr auf und wenn für uns wenig akzeptables Verhalten beobachtbar wird, reagieren wir eher mit eigenem Ausblenden oder Mehreinsatz darauf, von dem wir uns vermutlich wiederum selbst mehr Wertschätzung wünschen.
Letztendlich geht es mir mit dem Begriff Wertschätzung ähnlich, wie mit dem Begriff Augenhöhe – eigentlich möchten Menschen im besten Fall lediglich zum Ausdruck bringen, dass ihnen ein respektvoller Umgang wichtig ist. Allerdings steckt in den Begriffen viel mehr Schwammiges und Undefiniertes und so werden die Begriffe zu einem unklar spezifizierten Totschlagargument im Bällebad wohliger Gefühle, die ein leistungsorientiertes Arbeiten, ein echtes Ringen um beste Ideen, ein Aushalten von Konflikten und Unstimmigkeiten und eindeutige schnelle Entscheidungen durch Könner konterkarieren.
Was mache ich
Natürlich bin ich absolut kein Freund des Sprichworts “Nicht geschimpft ist gelobt genug.” Gleichzeitig möchte ich hier meiner Meinung freien Lauf lassen, dass die ständige Forderung an Führungskräfte, wertschätzend zu sein und Leistung ihrer Mitarbeitenden anzuerkennen, für überzogen und an manchen Stellen für fehlgeleitet halte. Denn was damit auch passiert ist, dass spezielle Führungskräfte noch weiter auf einen Sockel gehoben werden und dass damit situativ geteilte Führung schwieriger wird. Menschen sollten sich mehr an ihrer Verantwortlichkeit und ihren Aufgaben orientieren und daraus ihre Kraft und Motivation ziehen, als aus der Anerkennung durch einen Chef.
Wenn ich selbst als Führungskraft Verantwortung für Führungskräfte habe, deren Aufgabe es ist, Probleme zu lösen – dazu gehört beispielsweise auch der Umgang mit eigenen Überlastsituationen – dann lasse ich ihnen ihre Verantwortung und gehe dabei wertschätzend mit ihnen um. Das bedeutet für mich, wohlwollend und respektvoll, freundlich, interessiert und zugewandt mit ihnen zu sprechen. Wenn sie ein Problem haben, kann ich vielleicht mit mehr Aufmerksamkeit und Ideen unterstützen. Lösen müssen sie ihr Problem erst mal selbst, denn das ist ihr Job. Und Anerkennung zeige ich nicht generell für das Lösen des Problems oder dafür, dass sie ihre Situation im Griff haben. Sie haben mein Vertrauen, dass sie richtig in ihrem Job sind und entstehende Problem lösen können. Genau dafür sind sie eingestellt.
Anerkennung zeige ich gerne, wenn Menschen ihren Job kreativ, eigeninitiativ und außerordentlich gut machen, wenn mich also etwas überrascht. Und wann mich etwas überrascht, das hängt von Wissen, Können und Erfahrung ab, die ich den Mitarbeitenden zuschreibe. Das bedeutet also auch, dass ich von Menschen mit mehr Wissen, Können und Erfahrung mehr erwarte und dadurch ausformulierte Anerkennung vermutlich seltener wird. Gleichzeitig erlebe ich in diesen Fällen selten ein Problem, weil diese Menschen wie ich irgendwann nicht mehr für Anerkennung durch andere arbeiten, weil sie wissen was sie können und ausreichend Bestätigung aus dem Lösen der Probleme und dem Bewältigen herausfordernder Situationen selbst ziehen.
Ich gestalte im Rahmen meiner Möglichkeiten ein Umfeld, in dem ein wertschätzende Zusammenarbeit entstehen und sich halten kann, in dem sich möglichst alle Menschen mit ihren Stärken einbringen und weiterentwickeln können. Ich versuche Lob und Komplimente zu vermeiden und gebe selten in typischen Terminen Feedback, sondern versuche sie dabei zu erwischen, wenn sie etwas aus meiner Sicht außergewöhnlich gut machen. Dann sage ich ihnen, wie es mir damit geht und welchen positiven Effekt das aus meiner Sicht erzeugt hat.
Was ich mich dann frage
Ist positive Rückmeldung dann automatisch Wertschätzung und Anerkennung? Oder einfach nur das Behandeln meiner Mitarbeitenden und Kolleg:innen als Erwachsene, denen man zutraut ihre Arbeit eigenverantwortlich gut machen zu können?
Und was ich mich noch mehr frage, da es offensichtlich so vielen Menschen wichtig ist, Wertschätzung und Anerkennung bei der Arbeit zu erfahren: Wieso wird die Forderung nach mehr Wertschätzung und Anerkennung vor allem gegenüber Führungskräften laut (während wir parallel die Notwendigkeit für mehr Raum für Eigenverantwortung und Selbststeuerung fordern)? Wieso sehen wir es nicht als Gesamtaufgabe für alle Kolleginnen und Kollegen im Umgang miteinander, sich wertschätzend zu begegnen und gegenseitig Anerkennung zu zeigen für Dinge, die Menschen während ihrer Arbeit überdurchschnittlich gut leisten? Denn das tun viele, Menschen, Gruppen, Teams, immer wieder.
(Das Bild ist von tec_estromberg – vielen Dank!)