In der Vergangenheit habe ich mich schon in ein paar Beiträgen mit dem Thema “Fehler”, “Scheitern” und “Fehlerkultur” beschäftigt. Dabei habe ich ebenso fest gestellt, dass eine positive Fehlerkultur ein Wettbewerbsvorteil ist, aber auch, dass die Fokussierung auf Fehler und Scheitern nicht das Ziel sein kann.
Wie passt das zusammen? In einem folgenden Beitrag habe ich mir die Frage gestellt, was schon falsch ist und komme zu dem Schluss, dass die Kategorien “falsch” und “richtig” besser durch “Norm” und “Abweichung” ersetzt werden sollten. Alexandra Vollmer hat mir in einem ihrer Beiträge nötige Impulse gegeben, um für mich das gesamte Thema zu einer runden Sache zu machen (danke dafür!).
Dürfen Fehler auftreten?
In der Malik Kolumne des Management Magazins stellt sich Fredmund Malik die Frage: “Darf man Fehler machen?” Und gleich im ersten Absatz kommt er zu der Aussage, dass Unternehmer einer falschen Strategie folgen, wenn sie ihren Führungskräften großzügig Verfehlungen zugestehen.
Führungskräften, die sich mit einem vermeintlich modernen Führungsverständnis in ihrer Firma brüsten, Fehler machen zu dürfen, stellt er gerne folgende Frage: “Würden Sie in ein Flugzeug steigen, wenn sie wüssten, dass diese Airline stolz darauf ist, dass die Piloten Fehler machen?”
Auch wenn viele Führungskräfte nicht wie ein Arzt oder Pilot das Leben von Menschen in der Hand haben, haben sie dennoch einen großen Einfluss auf das Schicksal vieler Menschen. Alleine deswegen wird ein “Freibrief, Fehler machen zu dürfen” zu gefährlichem Schwachsinn. Es muss die Aufgabe einer verantwortlichen Führungskraft und eines verantwortungsbewussten Mitarbeiters sein, Fehler im Interesse der Mitarbeiter und Kollegen sowie im Interesse des Unternehmens zu vermeiden.
Lernt man nur aus Fehlern?
Das häufige Gegenargument derjenigen, die eine Kultur des großzügigen Umgangs mit Fehlern vertreten, ist häufig, dass dass man nur aus eigenen Fehlern lerne. Das ist Quatsch.
Ein Kind beispielsweise muss nicht auf die heiße Herdplatte fassen um zu lernen, dass eine heiße Herdplatte zu schmerzhaften Verbrennungen führen kann. Nicht jedes Kind muss die Treppe runter gefallen sein um zu lernen, dass das schmerzhafte Folgen haben kann. Es kann reichen, dass sie es erklärt bekommen oder dass sie bei anderen sehen, welche Folgen ein Sturz von der Treppe oder ein Fassen auf eine heiße Herdplatte haben kann.
Sind Fehler unvermeidbar?
Ein weiteres häufig verwendetes Gegenargument gerade im komplexen Arbeitsumfeld ist die Annahme, man könne Fehler nicht vermeiden, weil man Überraschungen unterliege. Ist das wirklich so?
Etwas wird zu einem Fehler, wenn es sich dabei um eine Abweichungen von einer Erwartung oder Norm handelt. Eine Erwartung oder Norm wiederum kann klar formuliert oder beschrieben werden. Wenn es beispielsweise die Erwartung oder Norm in Deutschland ist, an einer roten Ampel zu halten, wird es zu einem Fehler, wenn man über die rote Ampel fährt. Lässt sich dieser Fehler vermeiden? Ja. Und sollte er vermieden werden? Absolut, wenn man nicht das Leben anderer Verkehrsteilnehmer auf das Spiel setzen will.
Häufig führen nicht eineindeutig formulierte Erwartungen zu einem Verhalten, das von manchen Menschen als Fehler wahrgenommen wird. Auch der Fehler könnte und sollte durch eine eineindeutige Formulierung der Erwartungen vermieden werden.
Und was ist mit den unvorhersehbaren Herausforderungen, mit den Überraschungen in komplexen Umgebungen?
Irren ist menschlich
Der für mich hilfreiche Impuls von Alexandra Vollmer kam aus ihrem Beitrag “Aus Fehlern lernen? Warum du sie dafür nicht erst machen musst“. Auch sie sieht die moderne Management-Idee, man müsse Fehler zulassen, kritisch.
Sie formuliert in ihrem Artikel einen entscheidenden Unterschied. Demnach sei ein Fehler “die Abweichung von einer Erwartung oder einer Norm” und damit vermeidbar. Es handelt sich im äußersten Fall um eine komplizierte Situation, auf die mit dem nötigen Wissen fehlerfrei reagiert werden kann.
Anders sei das bei “unbekannten Problemen ohne vorgefertigte Lösungen”, ohne eine klare Erwartung oder Norm. Ohne klare Erwartung oder Norm kann aber kein Fehler entstehen. Abweichungen von einer Erwartung oder einem Wunsch oder einer Idee sind damit keine Fehler, sondern ein Irrtum. Ein Irrtum ist in Komplexität möglich und nicht vermeidbar.
Fazit
Fehler sind vermeidbar und sollten vermieden werden. Ein großzügiger Umgang mit Fehlern ist weder aus unternehmerischer, noch aus humanistischer Sicht erstrebenswert. Das kann und sollte kein Ziel einer kulturellen Veränderung innerhalb der Unternehmen sein. Stattdessen muss neben einer Kultur des Lernens das Verständnis reifen, dass Irrtümer in einem komplexen Umfeld nicht ausgeschlossen werden können, weil irren nunmal menschlich ist und komplexe Umgebungen voller Überraschungen sind.
(Das verwendete Titelbild ist von Brian Evans – vielen Dank!)