Agilität im Zeitalter beschleunigter Anpassung (4 von 6)

In vielen Organisationen stehen Führungskräfte unter wachsendem Druck. Sie sollen gleichzeitig stabilisieren und verändern, Orientierung geben und Selbstorganisation fördern, Kontrolle abgeben und dennoch Verantwortung tragen. Die Vorstellung, dass agile Methoden oder Konzepte wie New Work diese Spannungen auflösen können, ist ebenso verlockend wie naiv und greift zu kurz.

Lange habe ich das selbst gedacht und vertreten. Nach vielen Jahren Erfahrung sehe ich es differenzierter. Es zeigt sich immer deutlicher, dass Agilität kein einfacher Hebel ist, mit dem alleine sich komplexe Herausforderungen lösen lassen. Auch wenn sie immer wieder als Antwort auf Komplexität benannt wurde und wird.
Hier bekommst du einen durch NotebookLM generierten KI-Podcast Dialog zu diesem Artikel.


Agilität ist weder bloß Methode, noch einen reine Haltung und schon gar kein Heilsversprechen, sondern Ausdruck eines tieferliegenden Prinzips der evolutionären Anpassung in Zeiten beschleunigten Wandels.

Im folgenden gehe ich darauf ein, warum die Einführung agiler Methoden oft scheitert oder nur oberflächlich wirkt, weshalb Agilität als Ideologie gefährlich werden kann und wie Organisationen stattdessen lernen können, Wandel realistisch und wirksam zu gestalten.

Organisationen sind agil

Unternehmen waren schon immer „agil“, und das schon lange bevor das modische Schlagwort die Arbeitswelt im Sturm erobert hat. Denn anpassungsfähig zu sein ist schon immer eine Grundlage, um überlebensfähig zu bleiben. Und Gründe, warum Unternehmen nicht überlebt haben, hatten selten etwas mit mangelnder genereller Anpassungsfähigkeit und mehr mit falschen Entscheidungen bei diesen Anpassungen zu tun.

Nehmen wir als positives Beispiel Netflix, das als Versand für Filme auf DVDs angefangen und sich evolutionär Schritt für Schritt zum größten Streaming-Anbieter der Welt entwickelt hat. Und als umgekehrtes Beispiel Kodak, die eine gute Idee für eine Digitalkamera bereits in der Schublade hatte. Statt hier Entscheidungen zum Ausbau dieses neuen Geschäfts weiterzuverfolgen, wurde befürchtet, den eigenen Markt für Filme zu sabotieren und sich dagegen entschieden. Gründe für Erfolg und Misserfolg sind vielfältig und ‚agile‘ spielt dabei eine viel weniger relevante Rolle, als alle, die mit „Agile“ ihr Geld verdienen, wahrhaben wollen.

Klar gibt es werbewirksame Ideen und Methoden gerade aus erfolgreichen Unternehmen, die herangezogen werden und beschreiben sollen, wie Agilität diese Unternehmen erfolgreich gemacht haben sollen.

Amazon hatte mit dem Konzept der „Two-Pizza Teams“ die Idee, dass Teams so klein (meist unter 10 Personen), sein sollten, dass sie theoretisch mit zwei Pizzen satt werden könnten. Ziel war mehr Autonomie, weniger Bürokratie und schnellere Innovationen. Allerdings bedeutet das nicht, dass alle Unternehmensbereiche oder der gesamte Vertrieb so organisiert sind.

Netflix und kontinuierliche Releases: Netflix veröffentlicht Software sehr häufig und setzt stark auf automatisierte Tests und Continuous Delivery, um Stabilität und Innovation zu gewährleisten. Es gibt dennoch umfangreiche Testverfahren, die reale Nutzung simulieren und Fehler frühzeitig erkennen und erst dann gehen Änderungen in Produktion an den Kunden.

Google ist bekannt für ihre „Slack-Time“. Diese 20%-Idee gab Mitarbeitenden die Möglichkeit, einen Teil ihrer Arbeitszeit für eigene, potenziell geschäftsrelevante Ideen nutzen konnten. Daraus entstanden Produkte wie Gmail und Google Maps. Dieses Modell wurde aber offiziell wieder abgeschafft und war nie universell implementiert.

Spotify hat das bekannte agile „Squad/Tribe“-Modell entwickelt. In der Praxis wurde dieses Modell aber mehrfach angepasst und weiterentwickelt, und Spotify selbst warnt davor, ihr Organisationsmodell einfach zu kopieren.

Die genannten Methoden gab und gibt es in den Unternehmen, aber sie werden gerade in der agilen Szene oft als Erfolgsrezepte stilisiert und in der Realität wesentlich differenzierter und nicht flächendeckend angewendet. Entscheidend bleibt die eigene Fähigkeit zur Anpassung und nicht das blinde Kopieren einzelner Methoden.

Alte Systeme, neue Geschwindigkeit

In den letzten Jahren hat sich etwas stark verändert. Während früher Überlebensfähigkeit in langsamen Schritten sicher gestellt werden konnte, erleben wir heute einen drastischen Beschleunigungsdruck. Die Anpassungszyklen haben sich verkürzt und Wandel muss fast unablässig geschehen.

Agilität wird in diesem Kontext vielfach als universelle Lösung propagiert. Doch häufig sieht es sich damit ganz anders aus. Entweder bedeutet Agilität, Agile Methoden als Werkzeuge in bestehende Systeme zu integrieren, Pizza-Teams zu gründen und Mitarbeitenden 20% für eigene Ideen zu überlassen, oder Agilität wird als Heilsbringer für alles zur Ideologie und als solche dogmatisiert. Entweder wird das bestehende System mit agilen Frameworks bedient, oder es soll gleich vollständig ersetzt werden. Nicht selten folgt das eine auf das andere. Nach der Feststellung, dass Methoden alleine nicht greifen oder nichts wirklich verändern, muss das ganze System getauscht werden. Davon sind zumindest viele agile Berater:innen überzeugt,

Die große Frage ist, warum gute Ideen wie Agilität und New Work scheitern, bevor sie wirklich nennenswerte nutzbringende Kraft entfalten können? Und wie können Organisationen vor dem Hintergrund von systemischer Selbsterhaltung und psychologischen Widerständen die Geschwindigkeit ihres Wandels erhöhen?

Agilität als Methode: Das Alte neu verpackt

Viele Unternehmen führen agile Methoden wie Scrum, Kanban, OKR, das Spotify Modell, die Pizza-Teams, Slack-Time oder Design Thinking ein in dem Glauben, damit den Wandel zu beschleunigen. Die Praxis zeigt jedoch oft etwas Anderes.

  • Integration statt Veränderung: Organisationen reagieren seit jeher in kleinen Schritten auf Marktveränderungen. Agile Methoden können diese natürlichen Anpassungen lediglich in neuem Gewand weiterführen. Sie fügen sich in bestehende Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen ein, ohne diese grundlegend zu verändern. Aus Lessons Learned werden Retrospektiven, aus dem Abteilungsleiter der Chief Product Owner und der Projektleiter heißt jetzt Scrum Master. Auch deswegen ist SAFe in Konzernen anschlussfähig. Das Modell bietet für jede alte Rolle eine Neue und echte Veränderung wird zur Show, übergreifende Verbesserung bleibt auf der Strecke.
  • Übersetzung in bestehende Systemlogik: Wenn agile Tools in ein System eingebettet werden, das primär auf Effizienz und Kontrolle ausgerichtet ist, übernimmt die Organisation diese Werkzeuge und interpretiert sie in ihrem eigenen Code. „Schneller“ statt „reflektierter“, „effizienter“ statt „effektiver“. So werden die agilen Prinzipien neutralisiert, und die Veränderungen bleiben oberflächlich. Sehr spürbar wird das in der Notwendigkeit, auch in agilen Kontexten detaillierte Schätzungen zu liefern, statt budgetorientiert sich darauf einzulassen, in einem kooperativen Umfeld mit dem verfügbaren Budget anpassungsfähig die wichtigsten Dinge zu entwickeln.
  • Beispiel aus der Praxis: In vielen Firmen existieren tägliche Stand-ups und Sprint-Planungen. Im Hintergrund dominieren weiterhin starre KPIs und hierarchische Entscheidungsmuster. Agile Methoden werden als Zusatzinstrument verwendet und tragen wenig zur tatsächlichen Transformation der Systemlogik bei.

Organisationen stabilisieren sich selbst über wiederholte Kommunikationsmuster anhand ihres binären Codes. Wird dann Agilität lediglich als Methode eingeführt, bleibt diese selbstreferenzielle Logik unverändert und ein tiefgreifender Wandel passiert bestenfalls auf dem Papier. Nicht selten folgt auf anfängliche Euphorie über die guten Ideen frustrierte Ernüchterung mit der Annahme, dass weder Organisation noch Menschen bereit seien für den „agilen Traum“ und dass der Wandel revolutionärer und damit umfassender angegangen werden muss.

Agilität als Ideologie: Der Traum vom revolutionären Neuanfang

Dieser zweite Ansatz propagiert Agilität als Ideologie und damit die Überzeugung, dass die Einführung agiler Prinzipien das bestehende System vollständig ersetzen kann, wird und sollte. Dieser ideologische Ansatz hat gravierende Nachteile.

  • Vereinfachung und dogmatische Fixierung: Ideologien bieten einfache Antworten auf komplexe Probleme. Agilität als Ideologie suggeriert, dass durch eine klare Vision und feste agile Prinzipien alle organisatorischen Widersprüche gelöst werden können, ohne tief verankerte systemischen Widerstände und Widersprüche anzuerkennen.
  • Konformitätsdruck und Selbsttäuschung: Wird Agilität als die einzig richtige Art des Arbeitens verstanden, entsteht ein sozialer Druck, der abweichende Denk- und Handlungsweisen ausschließt. Teams und Führungskräfte, die kritische oder alternative Ansätze verfolgen, werden schnell als nicht anschlussfähig, veraltet und nicht mehr zukunftsfähig abgestempelt. Diskurse werden schwerer möglich, das Ringen um individuell gute Lösungen flacht ab und der Raum für Innovation wird reduziert. Und das geschieht, während im selben Kontext interdisziplinäre Teams mit hoher Diversität und unterschiedlichen Sichtweisen als Innovationstreiber gehandelt werden.
  • Systemischer Widerspruch: Selbst wenn Agilität als Ideologie verkündet wird, bleibt das System bestehen. Entscheidungen und Kommunikation folgen weiterhin binären Codes, die auf Effizienz und Stabilität ausgerichtet sind. Der Versuch, das Alte durch eine ideologische Revolution zu ersetzen, scheitert daran, dass sich Organisationen in den meisten Fällen nicht radikal, sondern weiterhin evolutionär verändern.

Grund für das ideologische Vertreten von Agilität liegt nicht selten in einem Bedürfnis nach Sicherheit und Klarheit. Dabei ist es unerheblich, dass diese Klarheit oberflächlich und damit trügerisch ist. Die emotionale Unterstützung, die durch die Ideologie geboten wird, hält kurzfristig, doch langfristig behindert sie den notwendigen Wandel, weil sie Widerstände verbirgt statt sie konstruktiv zu nutzen.

Längere Zyklen

Man sollte nicht übersehen, dass sich Unternehmen schon immer an veränderte Bedingungen angepasst haben. Dabei waren sie mal mehr und mal weniger erfolgreich. Historisch waren es keine radikalen Umwälzungen, sondern kontinuierliche Anpassungsprozesse, die das Überleben gesichert haben. Was sich heute dramatisch verändert hat, ist die Geschwindigkeit, in der diese Anpassungen nötig sind.

  • Evolutionäre Anpassung als Überlebensprinzip:
    Jedes erfolgreiche Unternehmen ist in der Lage, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln, auch wenn das nicht immer als „Agilität“ betitelt wurde. Diese systeminhärente Agilität beruht auf bewussten oder unbewussten Marktbeobachtungen und Reaktionen darauf in kleinen Schritten, die anschlussfähig ans System waren und die sich im Laufe der Zeit summieren.
  • Der Beschleunigungsdruck: Heute fordern volatile Märkte, technologische Disruptionen und globale Dynamiken, dass diese Anpassungszyklen deutlich kürzer sind. Unternehmen müssen nicht nur (weiterhin) agil sein, sie müssen jetzt schneller handeln. Ein Schlüssel liegt in der Veränderung der zugrunde liegenden Systemlogik, die bereits erfolgreiche ständige Anpassungen in kürzeren, intensiveren Zyklen ermöglichen.

Das bedeutet, dass der Vorteil von Agilität nicht in der Einführung von Methoden oder dogmatischen Ideologien liegt, sondern in der Fähigkeit, diesen evolutionären Prozess zu beschleunigen. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, in dem der erfolgreiche Wettbewerb stark von kontinuierlicher, schneller Anpassung abhängt.

Den evolutionären Wandel fördern

Wenn Agilität mehr sein soll, als eine gut gemeinte Methode oder ein symbolischer, auf Plakaten formulierter Kulturwandel, dann braucht es eine strukturelle Verankerung kontinuierlicher Anpassungsfähigkeit. Organisationen als Systeme müssen lernen, sich schneller und gleichzeitig reflektiert zu verändern. Entscheidend ist die Veränderung der zugrunde liegenden Systemlogik statt nur das Einführen neuer Praktiken, das ausschließliche Weiterbilden von Führungskräften und Mitarbeitenden oder das Überstülpen eines frommen Wunsches als Ideal. Die folgenden sechs Handlungsfelder zeigen, wie evolutionärer Wandel konkret gefördert werden kann:

Systemlogik irritieren

Organisationen folgen ganz unabhängig von Methoden einer stabilisierenden Grundlogik: Sie erhalten sich selbst über eingespielte Kommunikationsmuster, Entscheidungsregeln und Steuerungsmechanismen. Diese „Systemlogik“ ist heute in der Regel auf Effizienz, Kontrolle und Reproduzierbarkeit ausgerichtet. Eigenschaften, die in stabileren Märkten mit langsamer Veränderungsgeschwindigkeit gut gepasst haben, die aber in Zeiten schnellen Wandels kontraproduktiv wirken können.

Was tun?

Organisationen sollten diese Logiken explizit machen und gezielt durch Mikrointerventionen herausfordern. Das können beispielsweise neue Entscheidungsformate, Feedbackschleifen über Abteilungsgrenzen hinweg oder strukturierte Räume für Diskurs und Widerspruch sein.

Ein Blick in die Systemtheorie (zum Beispiel nach Niklas Luhmann) hilft zu verstehen, wie Kommunikation systemerhaltend wirkt. Veränderung muss daher in der Kommunikation selbst ansetzen, nicht nur an der Oberfläche von Rollen oder Tools.

Anpassungsfähigkeit gestalten

Organisationale Agilität entsteht nicht durch Kultur oder Haltung allein, sondern durch eine funktionsfähige Struktur. Das Viable System Model (VSM) nach Stafford Beer bietet eine Möglichkeit zur Analyse, wie anschlussfähig ein Unternehmen für kontinuierlichen Wandel tatsächlich ist. Es beschreibt fünf essentielle Funktionen, die jede lebensfähige Organisation abbilden muss: Operative Einheiten (System 1), Koordination (System 2), operative Steuerung (System 3), strategische Vorausschau (System 4) und normative Ausrichtung (System 5).

Was tun?

Mit Hilfe des VSM lassen sich Lücken sichtbar machen, die in Organisationen wirksames Handeln erschweren. Wenn beispielsweise operative Einheiten ohne strategische Rückkopplung agieren, wenn Koordination fehlt oder wenn Orientierung durch Führung nicht greifbar ist.

Das VSM unterstützt dabei, die strukturelle Anpassungsfähigkeit einer Organisation gezielt zu stärken. Es setzt dabei nicht auf neue Methoden, sondern auf die bewusste Gestaltung der Steuerungsarchitektur.

Ambidextrie ermöglichen

Der Spagat zwischen operativer Effizienz und strategischer Innovation ist kein Widerspruch, sondern eine notwendige beidhändige Kompetenz. Exploitation (Nutzung des Bestehenden) und Exploration (Erkundung des Neuen) müssen gleichzeitig geleistet werden.

Was tun?

Statt entweder klassische Linienorganisation oder agile Zellen einzusetzen, sollten Organisationen beides parallel strukturieren. So könnte es beispielsweise Innovationsbereiche mit eigener Budget- und Entscheidungslogik geben, die allerdings eng an die Kernprozesse rückgekoppelt sind.

O’Reilly & Tushman beschreiben mit dem Konzept der „organizational ambidexterity“ im Jahr 2004, wie erfolgreiche Unternehmen meist durch strukturelle Trennung oder kontextuelle Integration klare Strukturen schaffen, die beides ermöglichen

Lernfähigkeit institutionalisieren

Agilität basiert nicht auf einmaligen Projekten, sondern auf lernfähigen Strukturen. Iteratives Arbeiten, Hypothesentests und regelmäßiges Innehalten sind keine reinen Softskills der Mitarbeitenden, sondern strukturelle Kompetenzen.

Was tun?

Anstatt Transformation als einmalige Reorganisation zu verstehen, sollten Organisationen wiederkehrende Lernzyklen einführen. Dabei geht es nicht nur um Retrospektiven in Teams, sondern auch auf Leitungsebene, Hypothesen- statt Zielpläne und Räume für strukturiertes Experimentieren.

Das Cynefin Framework von Dave Snowden unterscheidet zwischen einfachen, komplizierten, komplexen und chaotischen Problemlagen. Und auch wenn selten nur das eine oder andere vorkommt, kann dieser Überblick helfen. Iin komplexen Situationen helfen keine Pläne, sondern nur Experimente mit Feedback. Die Idee der „safe-to-fail experiments“ stammt aus diesem Kontext.

Agile Methoden mit Steuerungslogik rückkoppeln

Methoden wie Scrum, Kanban oder OKR funktionieren nicht isoliert. Sie entfalten erst dann Wirkung, wenn sie in eine veränderte Steuerungslogik eingebettet sind. Wird weiterhin zentral budgetiert, jährlich geplant und individuell bewertet, bleibt die Wirkung begrenzt.

Was tun?

Organisationen müssen Budget- und Steuerungsmodelle flexibilisieren. Denker sind beispielsweise rollierende Planung, teambezogene statt individuelle Zielvereinbarungen oder dezentrale Ressourcenverantwortung.

OKRs sind beispielsweise kein agiles Tool, wenn Ziele top-down vorgegeben und am Jahresende gemessen werden. Erst wenn sie auf Team-Ebene entwickelt, quartalsweise angepasst und mit Strategiearbeit rückgekoppelt werden, entsteht adaptive Steuerung.

Kommunikationsmuster herausfordern

Kultur ist nicht das, was in Leitbildern steht, sondern das, was im Alltag gesagt, getan und vermieden wird. Kultur ist das was passiert, wenn keiner hinschaut. Die Einführung neuer Tools reicht nicht aus, wenn sich an den Grundmustern des Miteinanders nichts verändert.

Was tun?

Statt Schulungen zur „agilen Haltung“ braucht es Räume, in denen kulturelle Muster sichtbar und besprechbar werden. Methoden wir kollegiale Fallberatungen, retrospektive Führungskreise oder Feedbackformate quer zur Hierarchie können hier gute Wege sein.

Edgar Scheins Modell der Unternehmenskultur (Artefakte – Werte – Grundannahmen) zeigt, dass echte Veränderung nur gelingt, wenn die unsichtbaren, oft unausgesprochenen Annahmen im Unternehmen bearbeitet werden.

Strukturen kontextspezifisch entwickeln

Spotify, Netflix oder Amazon liefern interessante Impulse und leider gleichzeitig keine übertragbaren Rezepte. Wer solche Modelle unreflektiert kopiert, ignoriert den eigenen Kontext und schafft oft mehr Verwirrung als Fortschritt.

Was tun?

Bevor eine Struktur eingeführt wird, sollte geklärt sein, welches Problem sie lösen soll. Erst dann können geeignete Prinzipien (wie beispielsweise Rollenverteilung, Entscheidungslogik, Feedbackstrukturen) entwickelt und an die eigene Kultur und Umwelt angepasst werden.

Das Modell der „Design Spaces“ nach Ralph Stacey unterstützt die bewusste Auswahl von Steuerungsformen in Abhängigkeit vom Grad an Unsicherheit und Komplexität. Dort, wo Kontrolle nicht mehr möglich ist, braucht es mehr Selbstorganisation.

Fazit

Agilität ist kein Ziel, sondern eine Fähigkeit: die Fähigkeit, sich kontinuierlich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Unternehmen, die diese Fähigkeit fördern wollen, müssen an ihrer Systemarchitektur arbeiten – nicht nur an Tools oder Haltungen. Der Schlüssel liegt in der Veränderung der zugrunde liegenden Logiken von Entscheidung, Steuerung und Kommunikation. Das ist keine Revolution, sondern ein evolutionärer Umbau in kleinen, gezielten Schritten.

Es braucht Strukturen, die Lernen ermöglichen, Widerspruch aushalten und Geschwindigkeit nicht nur als Risiko, sondern als Notwendigkeit begreifen. Führung, HR und Organisationsentwicklung stehen in der Verantwortung, diesen Wandel nicht als Modetrend zu verwalten, sondern systemisch zu gestalten.

Ausblick

Der nächste Artikel widmet sich der konkreten Umsetzung: „Evolution, Baby!“ zeigt, wie Organisationen evolutionären Wandel über iteratives Design, integrierte Feedbackzyklen und gezielte Irritationspunkte gestalten können – ohne auf Heilsversprechen zurückzufallen.

(Das Bild ist mit Chat GPT generiert.)

About the author

Daniel Dubbel
Daniel Dubbel

IT Executive @ DB Systel GmbH | Ich begleite sowohl als Berater, als auch in Führungsrollen Unternehmen und Menschen, gestalte Organisationen, Strukturen, Kultur und Zusammenarbeit. 🤝 Neugierig? Dann lass uns sprechen.

Daniel Dubbel By Daniel Dubbel

Share

Categories

Archiv

Benachrichtige mich bei neuen Beiträgen
error

Weiterempfehlung? Danke für die Unterstützung!