Agile Transformation, agile Organisation, agile Führung, agile Arbeitsformen: alles muss heutzutage irgendwie agil sein. Das klingt angesagt, erzeugt Aufmerksamkeit und beschreibt in vielen Fällen gar nicht unbedingt das, was das eigentliche Ziel sein sollte. Oder es beschreibt neu, was bereits anders formuliert schon da war.
Laut dem Gablers Wirtschaftslexikon ist „Agilität die Gewandtheit, Wendigkeit oder Beweglichkeit von Organisationen und Personen bzw. in Strukturen und Prozessen. Man reagiert flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse und neue Anforderungen. Man ist, etwa in Bezug auf Veränderungen, nicht nur reaktiv, sondern auch proaktiv.“
Das klingt passfähig für die Lösung komplexer Probleme. Was hier wenig hervor geht: Menschen brauchen in der Regel psychologische Sicherheit und die suchen sie auch bei der Arbeit. Ständige Veränderung als einzige Konstante zu sehen ist anstrengend und Menschen versuchen eher bei dem Gewohnten zu bleiben. Immer wieder flexibel reagieren zu müssen und sich proaktiv mit einer unsicheren Zukunft auseinanderzusetzen, fällt nur wenigen Menschen leicht.
Ernüchternd: Zukünftig werden Menschen vor allem für soziale Tätigkeiten mit Menschen und für kreatives Lösen komplexer Probleme gebraucht. Einfaches und Kompliziertes kann und wird größtenteils wegautomatisiert. Umgang mit Komplexität und damit „Agilität“ oder „Flexibilität“ wird zu einer wichtigen Fähigkeit von Menschen, weil das Arbeitsleben mehr und mehr von einer gewissen Unsicherheit begleitet wird. Wenn das Umfeld wenig Stabilität und Sicherheit bieten kann, muss ein großer Teil aus einer persönlichen Stärke kommen. Resilienz ist eine Stärke, die Menschen dabei hilft, sich in einem solchen Umfeld zurecht zu finden. Kann eine resiliente Organisation Menschen dabei helfen?
Resiliente Menschen
Resilienz (von lateinisch resilire ‚zurückspringen’ ‚abprallen’) oder psychische Widerstandsfähigkeit ist die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen.
Wikipedia
Lolly Daskal beschreibt in ihrem Blog-Beitrag „What the Most Resilient People Have in Common“ vier Kerngewohnheiten von resilienten Menschen. Das sind Eigenschaften und Sichtweisen, die sich jeder Mensch aneignen kann – auch wenn die Veränderung des eigenen Verhaltens und der eigenen Sichtweise nicht immer einfach ist. Es liegt im Einflussbereich des jeweiligen Menschen und es lohnt sich, weil es hilft, mit schwierigen Situationen zurecht zu kommen.
Verbunden mit Emotionen
Resiliente Menschen verstehen ihre Emotionen und wissen, wie sie mit ihnen umgehen können. Gefühle zu unterdrücken ist kein guter Weg in schwierigen Zeiten, im Gegenteil. Das geht oft nach hinten los, weil unterdrückte Gefühle einen mit unerwünschten Gedanken belasten. Belastbare und widerstandsfähige Menschen sind mit ihren Emotionen verbunden und sind selbstbewusst. Das gibt ihnen mehr Kontrolle über sich selbst.
Positive Einstellung
Resiliente Menschen lassen sich nicht von Negativität leiten. Sie schauen tiefer in sich rein und können negative Gedanken in positive Absichten verwandeln, statt sie sich zu sehr zu Herzen zu nehmen. Sie kennen und glauben an ihre Stärken und Fähigkeiten, um Probleme zu überwinden und sind optimistisch. Lösungsorientiert schauen sie in die Zukunft und befassen sich eher mit Chancen, als mit den Problemen.
Zurückspringen können
Resilienz stammt vom lateinischen Wort resilire ab, das „zurückspringen“ bedeutet. Resiliente Menschen können einen Schritt zurück „springen“ und sich von den täglichen Herausforderungen erholen, die ihnen in ihrem Leben begegnen. Dabei ist es einfacher, kleine Schritte zurück zu springen, als große. Belastbare und widerstandsfähige Menschen lassen sich nicht von anstrengenden oder negativen Lebensumständen runterziehen. Hierbei hilft es, große Aufgaben in kleine Teilschritte zu teilen und regelmäßig den Fortschritt und die eigene Situation zu überprüfen.
Kontrolle abgeben
Niemand kann alles kontrollieren. Resiliente Menschen können damit umgehen und fühlen sich wohl, auch wenn sie nicht alles unter Kontrolle haben. Sie konzentrieren sich auf ihren Einflussbereich: die eigene Einstellung, die eigenen Emotionen und das eigene Verhalten. Sie überlegen, wie sie ihr Umfeld gestalten können auch ohne alles davon kontrollieren zu können.
Resiliente Organisationen
Organisationen sind keine Maschinen, sondern Organismen. Sie bestehen aus Menschen und ihren Interaktionen. Gleichzeitig macht ein Unternehmen aus resilienten Menschen nicht unbedingt eine resiliente Organisation. Können aber die vier Kerngewohnheiten von resilienten Menschen auf Organisationen übertragen werden? Was würden die Kerngewohnheiten übertragen auf Organisationen bedeuten?
Verbunden mit Emotionen
In resiliente Organisationen haben Emotionen der Menschen einen Stellenwert. Sie werden weder verhindert noch ausgeblendet, sondern zugelassen. Es wird mit den Emotionen der Menschen gearbeitet und sie spielen einen großen Stellenwert in der Betrachtung des Gesundheit der Organisation. Haben Organisationen eine Krise, haben auch die Mitarbeiter schwierige Zeiten, die sie belasten. Das hat in Wechselwirkung wieder negative Auswirkungen auf die Organisation. Resiliente Organisationen sind selbstbewusst, lassen Emotionen zu und behalten so die Kontrolle über das, was in der Organisation passiert.
Positive Einstellung
Resiliente Organisationen lassen sich nicht von Negativität leiten. Die Menschen schauen genauer hin und können negative Gedanken in positive Absichten verwandeln. Diese Organisationen kennen und glauben an die Stärken und Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter individuell und in Teams. Sie sind optimistisch. Die Organisationen richten sich an der Zukunft aus und befassen sich mehr mit ihren Chancen, statt mit ihren Problemen.
Zurückspringen können
Resiliente Organisationen können einen Schritt zurück „springen“ und sich von den täglichen Herausforderungen erholen, die am freien Markt existieren. Probleme werden als Herausforderungen gesehen und es bleibt Zeit und Ruhe, einen Schritt zurück zu treten, zu betrachten was die Stärken sind, um von dieser Basis aus geleitet durch die Stärken den nächsten Schritt zu gehen. Hierbei hilft es, große Initiativen und kleine Teil-Initiativen aufzuteilen und früh den Erfolg zu überprüfen.
Kontrolle abgeben
Organisationen können nicht alles kontrollieren. Resiliente Organisationen können damit umgehen, wenn nicht alles völlig unter Kontrolle ist – weder am Markt, noch in der eigenen Organisation. Sie konzentrieren sich auf eigene Einflussbereiche: die eigene Wertschöpfung und die Unterstützung und das Wohlergehen der Menschen. Resiliente Organisationen kennen die eigenen Kernkompetenzen und Stärken. Sie können flexibel auf Veränderungen reagieren.
Fazit
Auch wenn ausschließlich resiliente Menschen nicht automatisch zu einer resilienten Organisation führen, gibt es Parallelen zwischen Eigenschaften resilienter Menschen und resilienter Organisationen.
Resiliente Menschen und Organisationen handeln selbstbewusst in guten und auch in schwierigen Zeiten. Das bezieht den Umgang mit den Emotionen der Menschen mit ein. Eine positive Einstellung und die Fähigkeit, auch mal einen Schritt zurück zu treten, wenn man nicht weiter kommt, sind ebenso wichtig.
Am Wichtigsten für resiliente Organisationen ist die Erkenntnis, dass nicht alles kontrollierbar ist. Gleichzeitig müssen die Menschen in Organisationen eigene Einflussbereiche kennen, um regelmäßig Entscheidungen treffen zu können. Damit werden auch Organisationen widerstandsfähiger. Resiliente Menschen und Organisationen blicken positiv in die Zukunft und gestalten sie aus einer inneren Stärke, statt sich von Dingen außerhalb des Einflussbereichs demotivieren zu lassen.
(Das Bild ist von Vincente Villamón – vielen Dank!)