Die Welt verändert sich rasant. Was gestern Unternehmen erfolgreich gemacht hat, wird heute häufig schon zu einem Hindernis und zukünftig die Wettbewerbsfähigkeit völlig in Frage stellen. Was für ganze Unternehmen gilt, gilt auch für die Mitarbeitenden. Die gestern gefragten Fähigkeiten sind Stärken, die heute zwar häufig immer noch bei Einstellungen abgefragt werden, die allerdings bereits jetzt und vor allem in den nächsten Jahren keine große Relevanz mehr haben.
Was Peter Drucker bereits 1959 als „Wissensarbeit“ und dann 1969 als „Wissensarbeiter“ beschrieben hat, hat in Zeiten von überall und ständig verfügbarem Wissen und einer stetigen und schnellen Veränderung keine große Relevanz mehr. Die Halbwertszeit von nutzbarem Wissen wird immer kleiner, weil die Verfügbarkeit dieses Wissens immer größer wird. Natürlich bleibt Wissen wichtig, es ist aber kein großes Unterscheidungsmerkmal mehr, weil es einfacher verfügbar und kurzlebiger ist. Wissen verknüpfen und kontinuierlich erweitern wird immer wichtiger.
Während der Wert von (Insel-)Wissen abnimmt, steigt der Wert von Können, Intuition, Pragmatismus, der Fähigkeit unterschiedliches Wissen zu verknüpfen sowie einer guten Zusammenarbeit zwischen Menschen. Wert entsteht erst durch nutzbare Ergebnisse. Insofern ist „Wissen“ ein persönlicher Wert einzelner Menschen und Menschen mit viel Wissen, haben gute Chancen „wertvoll“ für Unternehmen zu sein. Der echte Wert für die Unternehmen entsteht aber erst, wenn das neue Wissen auch zur Anwendung kommt. Unternehmen der Zukunft brauchen kreative Macher.
Kreative Macher in Organisationen
Es ist auch im komplexen Umfeld so, dass nicht alles nur “stochern im Nebel” ist. Trotzdem lässt sich nicht alles durch Wissen erledigen. Es geht weniger um Wissensarbeit und Wissensarbeitenden, sondern mehr um Kreativarbeit von Kreativarbeitenden. Für die kreative Arbeit ist Wissen erforderlich. Wissen ist aber nur eine von mehreren Grundlagen. Da unvorhersehbare Dinge passieren, brauchen Menschen neben Wissen auch Erfahrung und Intuition.
Das Wort Kreativität stammt vom lateinischen „creare“ ab, das übersetzt so viel bedeutet wie „etwas neu schöpfen, etwas erfinden, etwas erzeugen, herstellen“. Kreativ arbeiten ist ein aktiver Prozess, für den flüssiges Denken, Assoziationsfreude und Perspektivwechsel ebenso wichtig ist, wie die Bereitschaft und Fähigkeit, Grenzen zu überschreiten. Die Ergebnisse dieses aktiven Prozesses müssen in Produkte oder Dienstleistungen ausgearbeitet werden.
Merkmale kreativer Persönlichkeiten
Für kreative Menschen ist Selbstreflektion, Kritikfähigkeit und Mut zur Veränderung entscheidend. Die Persönlichkeiten von Menschen in wissenschaftlicher und künstlerischen Kreativität sind nach einer Meta-Analyse von Gregory J. Feist, in der ca. 13.000 Personen aus 80 Studien betrachtet wurden, autonom, offen für neue Erfahrungen, kritisch bezüglich der Normen, selbstbewusst und ehrgeizig. Sie glauben an die eigenen Kompetenzen, sind beharrlich, gehen Schwierigkeiten nicht aus dem Weg und sind frustrationstoleranter. Sie sind spontan und können verstrickte, widersprüchliche und unsichere Situationen besser aushalten. Nicht zuletzt präferieren kreative Menschen Komplexität – abgeleitet durch die Feststellung, dass sie komplexe und asymmetrische Figuren gegenüber einfachen und symmetrischen bevorzugen, weil sie diese eher als lebendig und dynamisch wahrnehmen.
Wichtige Fähigkeiten der Zukunft
Wahrscheinlich wird es unzählige Fähigkeiten geben, die in der Zukunft abhängig von Umfeld und Situation wichtig und wertvoll sind. Es gibt aber eine Hand voll Kernkompetenzen, ohne die zukünftig kaum jemand in Organisationen für Komplexität auskommen wird.
Fürsorge und Herz
Der Mensch ist ein soziales Wesen,. Daran wird auch eine immer stärkere Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen nichts ändern, eher im Gegenteil. Menschen brauchen Menschen. Sie brauchen einen herzlichen, fürsorglichen und liebevollen Umgang. Die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einfühlen zu können und wohlwollend auf die Handlungen anderer Menschen zu blicken ist gerade in komplexem Umfeld notwendig.
Einfluss nehmen und gestalten
Alles um Menschen herum beeinflusst sie, nimmt Einfluss auf die Grundwerte der Menschen und bildet damit den Charakter. Neben Quellen wie Bücher, Filme, Blogbeiträge oder auch soziale Medien wie Twitter beeinflussen uns vor allem andere Menschen – die Eltern, Lehrer, Freunde. Dabei werden Menschen von ihren Vorbildern am meisten beeinflusst. Diesen Einfluss erkennen, übernehmen und gestalten ist eine Fähigkeit für eine konstruktive Zusammenarbeit und die Übernahme von Führung.
Kommunikation und Verbindung
Im Umgang mit Menschen ist es wichtig, was und wie kommuniziert wird. Das gesprochene Wort von Angesicht zu Angesicht kann nicht durch moderne Medien ersetzt werden. Dazu vermitteln wir unsere Informationen in der Kommunikation zu wenige nur über die gesprochenen Worte. Zu wissen, wie man kommuniziert, bedeutet, Erwartungen zu schaffen und zu erfüllen sowie ein motivierendes Umfeld entstehen zu lassen. Über Kommunikation entsteht Verbindung zwischen Menschen, die förderlich oder hinderlich sein kann. Dazu gehört, die Unterschiedlichkeit der Menschen zu akzeptieren und gleichzeitig die Gemeinsamkeiten zu erkennen. Ein gutes Miteinander braucht eine gute kommunikative Fähigkeiten.
Einsatz und Kollaboration
Die Zeiten, in denen blind und stupide Aufgaben abgearbeitet werden können, sind vorbei. Zukünftig steht und fällt der Erfolg mit den Menschen, ihrem kreativen Einsatzwillen und ihrer Fähigkeit zu kollaborieren.
Future Skills
Etwas konkreter sind die Ergebnisse aus dem World Economic Forum in Davos im Jahr 2016. Hier haben sich Experten zur Zukunft der Arbeit ausgetauscht. Dabei ist der „Future Of Jobs Report 2016 (PDF)“ heraus gekommen, in dem unter anderem die Skills von 2015 den erwarteten „Future Skills 2020“ gegenüber gestellt wurden. Im gleichen Report aus 2018 wurde dargestellt, welche Skills bis 2022 einen wachsenden bzw. abnehmenden Bedarf haben.
Wichtige Fähigkeiten 2015
- Komplexe Problemlösung
- Mit anderen abstimmen
- Personalmanagement
- Kritisches Denken
- Verhandlung
- Qualitätskontrolle
- Serviceorientierung
- Beurteilung und Entscheidungsfindung
- Aktives Zuhören
- Kreativität
Wichtige Fähigkeiten in 2020
- Komplexe Problemlösung
- Kritisches Denken
- Kreativität
- Personalmanagement
- Mit anderen abstimmen
- Emotionale Intelligenz
- Beurteilung und Entscheidungsfindung
- Serviceorientierung
- Verhandlung
- Kognitive Flexibilität
Im Gegensatz zu 2015 rücken die Themen Kreativität und kritisches Denken als unterstützende Fähigkeiten zur Lösung komplexer Probleme an die Spitze der wichtigen Fähigkeiten ab dem nächsten Jahr. Neu hinzu gekommen sind kognitive Flexibilität für schnelles Reagieren auf sich ändernde Rahmenbedingungen ebenso wie emotionale Intelligenz für eine gute Zusammenarbeit.
Fähigkeiten in 2022
Laut des World Economic Forums gibt es bis zum Jahr 2022 einige Fähigkeiten, deren Wichtigkeit zunimmt.
- Analytisches Denken und Innovation
- Aktives Lernen und Lernstrategien
- Kreativität, Originalität und Eigeninitiative
- Technologiedesign und Programmierung
- Kritisches Denken und Analyse
- Komplexe Problemlösung
- Führung und sozialer Einfluss
- Emotionale Intelligenz
- Argumentation, Problemlösung und Ideenfindung
- Systemanalyse und -bewertung
Im Gegensatz dazu sind die folgenden Fähigkeiten bis dahin eher rückläufig.
- Manuel Geschicklichkeit, Ausdauer und Präzision
- Gedächtnis, verbale, auditive und räumliche Fähigkeiten
- Verwaltung von finanziellen und materiellen Ressourcen
- Technologie Installation und Wartung
- Lesen, Schreiben, Rechnen und aktives Zuhören
- Management des Personals
- Qualitätskontrolle und Sicherheitsbewusstsein
- Koordination und Zeitmanagement
- Visuelle, akustische und sprachliche Fähigkeiten
- Technologieeinsatz, Wartung und Kontrolle
Kreativarbeiter und ihre Fähigkeiten
In vielen Unternehmen heute und in Zukunft geht es um die Lösung komplexer Probleme. Einfaches und kompliziertes wird nach und nach automatisiert und kann von weniger Menschen maschinell unterstützte schneller und präziser erledigt werden. Die benötigten Fähigkeiten der Menschen in Unternehmen zum Lösen komplexer Probleme unterscheiden sich davon stark. Sie müssen bereits jetzt eigeninitiativ durch die Menschen und unterstützt durch die Unternehmen entwickelt und ausgebaut werden, damit sie in den kommenden Jahren in ausreichendem Maße verfügbar sind.
Kreativarbeiter sind autonom, selbstbewusst und stellen kritische Fragen. Dabei sind sie lösungsorientiert Macher, selbstreflektiert und kritikfähig. Sie halten stetige Veränderung gut aus und stellen sich den vor ihnen liegenden Herausforderungen. Dafür haben sie Eigeninitiative und Kompetenzen in der Lösung komplexer Probleme durch ihr kritisches Denken und ihre Kreativität. Sie sind stark in analytischem Denken und innovativ, können Lernstrategien entwickeln und entwickeln sich selbst kontinuierlich weiter. Mit einem hohen sozialen Einfluss, Führungsfähigkeiten und emotionaler Intelligenz gestalten sie die Zusammenarbeit mit anderen Menschen. Sie sind kognitiv flexibel, um mit ihrem breiten Wissen auf unterschiedliche Situationen adäquat reagieren zu können.
Führungsfähigkeiten
Unternehmen unterliegen noch heute vielfach der Utopie, dass Menschen führen, die Macht haben. Es führen aber schon immer die, denen gefolgt wird. In klassischen Organisationen können die mit formeller Macht ausgestatteten Führungskräfte ihre Macht nutzen, um diese Führung zu stören. In Organisationen für Komplexität gewinnt diese Führung der Menschen, denen gefolgt wird, an Relevanz, weil sie gute Zusammenarbeit und zielgerichtetes Arbeiten unterstützt und schnelle dezentrale Entscheidungen fördert. Führungsverantwortung wird verteilt. Führung übernehmen situativ die, die in dem Moment am besten geeignet sind. Führungsfähigkeiten spielen eine steigende Rolle. Wie aber sind Menschen, denen andere Menschen gerne folgen?
Führende Menschen haben einen inspirierenden Charakter, dem man gerne folgt. Sie halten Wort, sind integer und vertrauenswürdig. Sie verkörpern Mut gerade auch in schwierigen Zeiten und sind ein ruhender Fels in der Brandung. Indem sie andere respektieren, ihre Fähigkeiten erkennen und sie ehren, ernten sie selbst Respekt. Wenn sie gebraucht werden, sind sie für andere da und übernehmen Verantwortung für sich, die Menschen und gemeinsamen Ergebnisse. Dinge, die manchen anderen entgehen, sehen sie, behalten in unübersichtlichen Situationen den Überblick sowie Ruhe und treffen gezielt Entscheidungen zu denen sie stehen. Sie verbringen Zeit mit Menschen, unterstützen sie und helfen ihnen, über sich hinaus zu wachsen.
Menschen die führen stellen andere Menschen statt sich selbst auf ein Podest, denken voraus, haben einen Blick über den Tellerrand und können mit ihrer Erfahrung und Intuition abschätzen, welche Auswirkungen welche Entscheidungen wahrscheinlich haben werden. Sie können priorisieren und nein sagen, bieten Lösungen an, stehen offen zu ihren Schwächen und bitten um Hilfe. Nicht zuletzt wissen sie, dass die Aufgaben oft größer sind als sie selbst, dass sie sich irren können und betrachten sich selbst als stetig Lernende.
(Das Bild ist von Marco Verch Professional – vielen Dank!)
4 Comments
Leave a CommentSehr interessant.
Deswegen gibt es auch immer noch so viele dumme Menschen, obwohl jedem Menschen der gesamte Wissenstand der Menschheit heutzutage zur Verfügung steht.
Oh mein Gott. Das Thema, wie man da hinkommt, hat ja einen Namen. Einen gruseligen. Employability
https://www.harvardbusinessmanager.de/heft/artikel/a-622683.html