Egal, in welchem Kontext wir arbeiten: die Leistung ist das Maß, nach dem wir häufig bewertet werden und auch selbst bewerten. Nun stellt sich immer wieder die Frage, wie leistungsfähig Menschen und Teams sind und was man tun kann, um Leistungsfähigkeit steigern zu können. Aber was bedeutet Leistung überhaupt und was hat darauf Einfluss?
Was ist Leistung?
Der Begriff wird in der Forschung oft in zweifacher Bedeutung verwendet.
Zum einen bezeichnet Leistung zielgerichtetes Verhalten, bei dem in irgendeiner Form Arbeit geleistet wird. Zum anderen bezeichnet Leistung auch das Ergebnis bzw. den Erfolg dieses zielgerichteten Verhaltens. Eine kleine Abgrenzung:
- Leistung: ist ein Zustand/eine Sammlung von Verhaltensweisen, die für das Erreichen von Zielen relevant sind (z.B. der Einsatz von Handlungsstrategien, die als zielführend beim Problemlösen bekannt sind).
- Erfolg: ist das Ausmaß in dem die Leistungsergebnisse den angegebenen Zielen entsprechen (Problemlösung: vollständig, überhaupt nicht oder nur zu einem gewissen Grad).
- Produktivität: ist die Effizienz (im Sinne von Kosten pro Ertrag) mit der ein bestimmtes Ausmaß an Zielerreichung erfolgt. In anderen Worten: das Ausmaß der Zielerreichung gemessen an den verbrauchten Ressourcen (Zeitdauer, Menge benötigter Aufgabenschritte oder Information).
Nach eingehender Recherche wird deutlich, dass es mindestens drei unterscheidbare Variablen gibt, die Zusammenhänge zwischen Leistung und Erfolg von Teams beeinflussen:
- Kontextfaktoren, also (Rahmen-)Bedingungen, die unabhängig von Teamprozessen existieren
- Teaminterne Prozesse, die in gegenseitiger Behinderung oder Förderung des individuellen Leistungsverhaltens resultieren
- Dynamische Entwicklungsprozesse, wie beispielsweise individuelles und kollektives Lernen
Diese werden als “Moderatorvariablen” bezeichnet und im Folgenden aufgegriffen. Vorab müssen wir jedoch zwischen den beiden Dimensionen Teamleistung und Teamerfolg unterscheiden. Danach befassen wir uns mit den Moderatorvariablen und den Lernprozessen zur Leistungsverbesserung auf Teamebene.
Dimensionen von Teamleistung
Dimensionen von Teamleistung umfassen Verhaltensweisen/Verhaltenspotenziale, die für das Erreichen der Teamziele relevant sind und sowohl auf individueller Ebene (individuelle Anstrengung, Leistungsmotivation, aufgabenrelevante Fertigkeiten, Fähigkeiten und Wissen) als auch auf Teamebene (sozial kompetentes Verhalten, die Motivation, zur Pflege und Entwicklung des sozialen Systems des Teams beizutragen) wirksam werden können. Auf Teamebene sind die genannten Verhaltensweisen besonders wichtig, zum Beispiel durch Entwickeln gemeinsamer Handlungsstrategien, Aufbauen sozial geteilter Wissenssysteme und kontinuierlicher Reflexion und Verständigung über geteilte bzw. unterschiedliche Erwartungen, Überzeugungen und Ziele.
Dimensionen von Teamerfolg
Ganz einfach: Teamerfolg = das Ausmaß, in dem die vom Team erbrachten Leistungsresultate bestimmten Zielen entsprechen.
Individuelle Erfolgsdimensionen sind beispielsweise: Arbeitszufriedenheit, Krankentage, Kündigungsabsicht, Erhalt bzw. Entwicklung individueller Qualifikation, Befriedigung individueller Bedürfnisse der Teammitglieder und Ähnliches.
Erfolgsdimensionen auf Teamebene sind: Produktionsindikatoren (Quantität, Qualität (auch Fehlerhäufigkeiten)), umgesetzte Innovationen, Indikatoren der “Lebendigkeit” des Teams (Zusammenhalt, Kohäsion, kollektive Selbstwirksamkeitserwartungen, Kooperationsfähigkeit, Partizipation).
Achtung! Zwischen Erfolg (im Sinne von Ausmaß der Zielerreichung) und Produktivität (im Sinne von Effizienz der Zielerreichung) wird in den meisten Teamtheorien nicht unterschieden.
Moderatoren
Teamerfolg ist nur dann vollständig auf Leistungsverhalten zurückzuführen, wenn das Team beziehungsweise ihre Mitglieder uneingeschränkte Kontrolle über alle Ressourcen (interne und externe) besitzen. So schön das klingen mag, diese Bedingung ist in der Praxis der Teamarbeit kaum zu finden. Das Ausmaß der Kontrollierbarkeit situationaler Beschränkungen und individuelle Handlungsspielräume sind selten ausreichend. Deshalb sollte bei der Analyse von Teamleistungen davon ausgegangen werden, dass Zusammenhänge zwischen Leistung bzw. Leistungspotenzialen und Teamerfolg von bestimmten Variablen beeinflusst (beziehungsweise moderiert) werden. Moderation bedeutet, dass der Zusammenhang zwischen zwei Variablen durch eine dritte Variable (die Moderatorvariable) verstärkt, abgeschwächt oder gänzlich eliminiert wird.
Im Folgenden werden drei Arten von Moderatorvariablen unterschieden:
- Kontextbedingungen
- gegenseitiges Beeinträchtigen oder Fördern
- dynamische Entwicklungsprozesse (individuelles, sozial-vermitteltes und kollektives Lernen)
Kontextbedingungen
Als Kontextbedingungen können die Qualität und Quantität der materiellen Ressourcen eines Teams, die Aufgabenkomplexität, Marktentwicklungen oder technologischen Gegebenheiten genannt werden. Wenn diese Kontextbedingungen die Zusammenhänge zwischen Teamleistung und -erfolg moderieren, tragen sie zur “Kontamination” des Erfolgskriteriums bei. Der Teamerfolg ist also nicht vollständig durch das Leistungsverhalten in Teams bestimmt.
Ein Beispiel: Goodman (1986) analysierte Arbeiterteams im Bergbau und berichtet, dass unter schlechten Witterungsbedingungen (Kontextbedingung) sehr gut koordinierte Teams (kollektives Leistungsverhalten) mehr Tonnen Kohle (Erfolgskriterium) fördern als weniger gut koordinierte Teams. Unter normalen Witterungsbedingungen zeigten sich keine Erfolgsunterschiede zwischen diesen Teams.
Also werden manche kollektiven Handlungsstrategien erst dann erfolgswirksam, wenn entsprechend hohe Aufgabenanforderungen gestellt werden.
Gegenseitiges Beeinträchtigen oder Fördern
Auch bekannt als Prozessgewinn oder -verlust. Hier fungieren Prozesse der sozialen Interaktion als Moderatoren zwischen Leistungsverhalten der Teammitglieder und der Teamleistung. Das Leistungspotenzial von Teams, das ohne Beteiligung von Interaktionsprozessen zu erwarten ist, wird auf Basis der individuellen Leistungsfähigkeit der Teammitglieder bestimmt. Liegt das Leistungspotenzial oberhalb der tatsächlich erzielten Teamleistung spricht man von Prozessverlusten. Liegt es unterhalb der tatsächlichen Teamleistung spricht man von Prozessgewinnen oder auch Synergieeffekten.
Motivationsverluste liegen vor, wenn Teammitglieder Leistung zurückhalten und sich auf die Beiträge der anderen verlassen, etwa weil ihr Mangel an Anstrengungsbereitschaft nicht sichtbar wird (soziales Faulenzen (Dazu mehr im kommenden Beitrag “Gemeinsam sind wir schwach“), weil sie keine besondere Verantwortlichkeit für das Teamergebnis erleben oder weil sie den Verdacht haben, sie würden vom Team ausgenutzt.
Motivationsgewinne zeigen sich, wenn sozialer Wettbewerb zwischen ähnlich leistungsstarken beziehungsweise statusähnlichen Teammitgliedern stattfindet, oder wenn kulturell bedingte soziale Normen bestehen. Hier wird dem Kollektiv gegenüber dem Individuum eine höhere Bedeutsamkeit eingeräumt. Deshalb werden jeweils besondere individuelle Anstrengungen im Teamkontext unternommen.
Dynamische Entwicklungsprozesse
Die dynamische Entwicklung der Leistung eines Teams und deren Erfolg wird nur in dem Maße berücksichtigt, als die Möglichkeit wechselseitiger Zusammenhänge zwischen diesen beiden Kriterienklassen eingeräumt wird. Vergleichbare Wechselwirkungen sind auch für Gruppenkohäsion und Gruppenerfolg nachgewiesen worden. Noch nicht lange werden Teams/Gruppen auch als lernende Systeme betrachtet. Beispielsweise zeigen sich bei der wiederholten Bearbeitung gleichartiger Aufgaben durch Teams in Organisationen häufig Verbesserungen des Teamerfolgs.
Leistungsverbesserung durch Lernprozesse
Leistungsverbesserungen auf Teamebene können mit Lernprozessen auf drei Ebenen erzielt werden:
- Individuelles Lernen
- Sozial vermitteltes Lernen
- Kollektives Lernen
Individuelles Lernen
Individuelles Lernen in Teams entsteht durch Automatisierung, Routinisierung und individuellen Wissenserwerb bei der Auseinandersetzung mit der Arbeitsaufgabe. Dies kann ohne Einfluss durch andere Teammitglieder geschehen und zur Steigerung des Teamerfolgs beitragen, oder auch einem Einfluss durch das kollektive Handeln in Teams unterliegen (sozial vermitteltes Lernen). So können handlungsrelevante Information beim gemeinsamen Arbeiten im Team ausgetauscht, aufgenommen werden und zu Verhaltensänderungen führen (siehe auch: G-I-Transfer).
Sozial vermitteltes Lernen
Es konnte bereits nachgewiesen werden, dass Teammitglieder durch mehrmalige, kollektive Aufgabenbearbeitung lernen besser zu kooperieren, zügiger Entscheidungen zu treffen und reibungsloser Konflikte zu bewältigen, als auch Fehler schneller zu erkennen und zu korrigieren.
Das sowohl bei sich selbst in individuellen Aufgabenkontexten und auch bei den Handlungspartnern in späteren, kollektiven Aufgabenkontexten.
Kollektives Lernen
Unter diesem Punkt werden viele Aspekte verstanden: die Entwicklung kollektiver Handlungsroutinen, Normen, neuer Methoden der Arbeitsteilung und neuer Technologien, das Imitieren von erfolgreichen Vorgehensweisen in anderen Team und Organisationen oder der Wissenserwerb durch Aufnehmen neuer Mitarbeiter und deren Know-How.
Ein kollektiver Lernmechanismus ist die Entwicklung sogenannter transaktiver Wissenssysteme. Ein transaktives Wissenssystem ist ein von einem Team geteiltes System der Enkodierung, Speicherung und des Abrufs von Informationen.
In anderen Worten: Teammitglieder wissen, welches andere Teammitglied was am besten weiß oder kann. Durch transaktive Wissenssysteme sind einzelnen Teammitgliedern Wissensbestände zugänglich, die nicht sie selbst, sondern andere Mitglieder gespeichert haben. Mit zunehmender Entwicklung transaktiver Wissenssysteme werden Leistungsvorteile in Teams offenbar, z.B. besseres Erinnern von Aufgabenkomponenten und geringere Fehlerraten.
Fazit – es geht nur mit Lernen
Der Erfolg eines Teams wird durch unterschiedlichste Faktoren beeinflusst, die in gleichen Teilen aufeinander einwirken. Unabhängig von der Leistung der Teammitglieder und teaminterner Faktoren beeinflusst ebenso das Arbeitsumfeld den Erfolg von Teams. Das bedeutet, dass selbst ein Team, dessen Mitglieder perfekt harmonieren, sich gegenseitig unterstützen sowie sich selbst und gegenseitig weiterentwickeln, durch die Kontextbedingungen enorm am Erfolg gehindert werden können. Aber ist ein Arbeitsumfeld, das alle drei Bedingungen bilderbuchmäßig erfüllt, nicht utopisch? Kann man dann überhaupt verlässlich Einfluss nehmen auf den Erfolg von Teams, wenn viele Faktoren für den Erfolg gar nicht in der Hand der Teams liegen?
Auch wenn viele Einflussfaktoren nicht direkt beeinflusst werden können, gibt es doch einen relevanten Bereich, der die Chancen auf Erfolg erhöht und der organisatorisch wie inhaltlich relativ leicht aus einem Team heraus umgesetzt werden kann: Die Steigerung der Leistungsfähigkeit in Teams durch Lernprozesse.
Alle hier beschriebenen Lernprozesse haben gemeinsam, dass sie Zusammenhänge zwischen den gegebenen Leistungsressourcen innerhalb eines Teams und dem Teamerfolg moderieren, indem sie individuelle Ressourcen und die Art und Weise ihrer Nutzung beim kollektiven Handeln verändern. Vor allem die zuletzt genannten drei Ebenen der dynamischen Entwicklungsprozesse sind im Blick auf die Struktur agiler Teams spannend. Ich komme zu dem Schluss, dass eigenverantwortliche Teams vor allem durch Lernprozesse kontinuierlich steigende Leistungsverbesserungen den Erfolg des Teams positiv beeinflussen können.
Auf eure Gedanken dazu und Kommentare freue ich mich!
(Das Bild ist von amaderson2 – vielen Dank!)
Über die Autorin:
Melanie Schließmann hat berufsbegleitend Wirtschaftspsychologie mit den Schwerpunkten Führungspsychologie und Sozialpsychologie studiert. Sie arbeitet bei der Pentasys AG als Sales Manager und kennt die Bedürfnisse bei der Suche nach IT Experten von vielen Seiten.
6 Comments
Leave a CommentSpannende Sachen, die Sie da anreißen. Und aus dem echten Leben.
Allzu oft fehlt gerade Software-Teams die Möglichkeit, mehr „nur“ ihre Craftmanship verbessern. So verbessern sie zwar ihre Leistung, nicht aber ihren den Erfolg oder die Produktivität.
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung!
Da fehlt ein „als“ im dritten Satz 🙂
Allzu oft fehlt gerade Software-Teams die Möglichkeit, mehr als „nur“ ihre Craftmanship verbessern.