Nicht alles ist in Zahlen messbar

Wesentlicher Bestandteil agiler Methoden ist das kontinuierliche Messen von den Dingen, die man macht. Die Ergebnisse der Messungen oder deren Interpretation sind eine wichtige Grundlage für die kontinuierliche Verbesserung. Über unterschiedliche Metriken lassen sich viele Dinge messen, aber eins lässt sich nicht ohne Weiteres messen: Die Steigerung der Effizienz von Teams.

Nun wird der eine oder andere sagen, dass sich dafür doch hervorragend die Velocity – also die durchschnittliche (in der Regel mit Story Points gemessene) Geschwindigkeit von Teams heranziehen lässt. Anhand dieser relativen Schätzung und einer positiven durchschnittlichen Entwicklung der Storypoint-Zahl pro Sprint ließe sich die Steigerung der Effizienz eines Teams ablesen. Mittlerweile glaube ich, dass das so nicht ohne Weiteres stimmen kann und ein wenig förderlicher Ansatz ist. Die Betrachtung der (Steigerung von) Effizienz von Teams anhand einer gemessenen Velocity halte ich für Verschwendung.

Kein Vakuum

Die Velocity als Gradmesser für die Effizienz(steigerung) eines Teams würde nur funktionieren, wenn ein Team in einem Vakuum völlig losgelöst von einer sich ständig verändernden Umgebung existieren würde. Äußere Umstände dürften keinen Einfluss auf die Ergebnisse eines Teams haben. In einem komplexen Umfeld aber ist genau die Erkenntnis, dass Teams sich nicht von sich unvorhersehbar verändernden Umgebungen lösen können, ein Grund, warum wir agil arbeiten: Wir wollen schnell auf Veränderungen reagieren können.

Wenn Faktoren der Umgebung außerhalb des Einflussbereichs eines Teams einen Einfluss auf den Output des Teams hat, dann sind unkontrollierbare Rahmenbedingungen mit verantwortlich für die Effizienz eines Teams und nur weil ein Team mehr Story Points schafft, lässt sich davon ohne Betrachtung der Rahmenbedingungen keine Effizienzsteigerung des Teams ablesen bzw. hat diese Zahl einen sehr geringen Wert und damit eine nahezu unwichtige Aussagekraft. Ich kann also aus der Summe der erreichten Storypoints pro Iteration einen Durchschnitt errechnen und eine Trendlinie ableiten, wie sich dieser Durchschnitt verändert. Die positive wie negative Veränderung hängt aber nicht nur vom Team ab und damit verliert die isolierte Trendlinie ihren Wert.

Hinzu kommt, dass auch ein immer effizienter arbeitendes Team nicht zwingend einen immer höheren Wert erzeugt. Ein Team kann problemlos hocheffizient Dinge tun, die keinen Nutzen bringen.

Am Ende ist der Versuch, die Effizienz eines Teams in Zahlen auszudrücken, ein eher klassisches Modell. Das ist der Versuch, einem komplexen Zustand (die Zusammenarbeit eines Teams in einem sich ständig verändernden Umfeld) mit einer Lösung zu begegnen, die sich dafür nicht eignet. Der Wert ist gering, weil die Zahl an sich zu wenig Information bietet. Natürlich lassen sich erreichte Storypoints in einer Iteration in Diskussionen mit anderen Werten vergleichen um eine Diskussionsgrundlage zu haben. Natürlich lässt sich daraus auch eine durchschnittliche Geschwindigkeit als Planungsgrundlage ableiten. Die Steigerung der Effizienz kann ich davon aber nicht zuverlässig ableiten.

Was tun?

Was kann man also tun, wenn man wissen will, ob ein Team sich verbessert? Man kann und sollte mit dem Team und/oder einem Beobachter oder Unterstützer des Teams (zum Beispiel Scrum Master, Teamleiter) sprechen. Hierdurch gewinnt man nicht nur einen besseren, ehrlicheren und inhaltsreicheren Eindruck, sondern direkt eine Grundlage, um bei der Steigerung der Effizienz eines Teams zu unterstützen.  Es werden Hindernisse deutlich, die eine effiziente Zusammenarbeit innerhalb des Teams verhindern und auf der Basis kann man an der Umgebung gearbeitet werden, die Konzentration und Fokussierung ermöglicht, die Verantwortungsübernahme fördert und den Fokus des Erfolgs auf das Produkt und nicht die Effizienz eines Teams legen.

Natürlich kann man die Performance eines Teams betrachten. Für die Veränderung von Effizenz eines Teams sollten weitere Faktoren betrachtet werden, die Esther Derby in ihrem Beitrag Assessing Team Improvement gut auf den Punkt bringt:

Stabilität und Zusammensetzung: Teams sollten so (interdisziplinär) zusammengesetzt sein, dass sie ihre Aufgaben unabhängig fertig bekommen können. Die Veränderungen der Mitarbeiter der Teams sollten sich im Rahmen halten. Wie sehr verändert sich also die Team-Stabilität?

Wie Arbeit ins Team gelangt: Der Umfang und Inhalt der Arbeit sollte für den definierten Zeitrahmen und die Aufstellung des Teams passend sein. Das Team sollte sich die Aufgaben selbst formulieren und die Arbeit eigenständig organisieren können. Die Aufgaben sollten dabei einen deutlichen Kundenfokus haben und ausreichend klar formuliert sein. Wie kommt die Arbeit ins Team und welchen Fokus hat sie?

Abhängigkeiten zwischen Teams: Abhängigkeiten zwischen unterschiedlichen Teams sollten möglichst nicht vorhanden oder so gering wie möglich sein. Wie sehr muss sich ein Team mit anderen Teams abstimmen?

Produkt-Vision und Team-Mission: Es sollte eine klar formulierte (Produkt-)Vision geben, in die alle Aufgaben des Teams klar einzahlen. Das Team braucht zudem einen klaren Auftrag, der in die Vision einzahlt. Wie gut kann das Team Vision und Mission wiedergeben und berücksichtigen?

Passende Planung: Die geplanten Aufgaben müssen einen Umfang haben, der vom Team bewältigt werden kann. Schafft das Team die geplanten Aufgaben zuverlässig?

Fazit

Die Performance von Teams ist wichtig und lässt sich verbessern. Dafür reicht der Blick auf das Team alleine nicht aus. Dinge zu messen ist ein wesentlicher Bestandteil agiler Methoden, aber nicht alles lässt sich messen bzw. nicht jede Messung erzeugt für sich eine nachhaltig verwertbare Information. Die alleinige Messung der vermeintlichen Effizienz von Teams mittels einer durch Storypoints gemessenen Velocity der gelieferten Features allein erzeugt keinen verlässlichen Wert.

(Das verwendete Bild ist von Dirk Vorderstraße – vielen Dank!)

About the author

Daniel Dubbel

Agility Master | COO, HOUSE OF MOBILE @ DB Systel | Deutsche Bahn
Agile Transformation & Digital Strategy Expert | P&L Leader | Driving Growth through Innovation & Organizational Change | C-Level Advisor

By Daniel Dubbel

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